Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweis des ersten Anscheins gegen nachfolgenden Fahrer nur bei "typischen" Auffahrunfall mit Teilüberdeckung vom Heck und Front
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 59 O 52/07) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen nach Zugang Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung versprechen keine Aussicht auf Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das LG nicht verkannt, dass gegen den Beklagten zu 1. der Beweis des ersten Anscheins spreche. Vielmehr ist das LG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich nicht um einen typischen Auffahrunfall handelte, der gegen den Auffahrenden den Beweis des ersten Anscheins für dessen Verschulden begründen würde.
Ein solcher Auffahrunfall liegt nämlich nur dann vor, wenn es aus dem gleichgerichteten Verkehr derart zu einem Anstoß kommt, dass bei Parallelität der Längsachsen der Fahrzeuge eine Kollision mit einer Teilüberdeckung der Stoßflächen an Heck und Front der beteiligten Fahrzeuge erfolgt. Hingegen liegt kein typischer Auffahrunfall mit der Folge eines Anscheinsbeweises vor, wenn eine Eckkollision bei Schrägstellung der Längsachse des Vorausfahrenden gegeben ist (st. Rspr., vgl. zuletzt KG, Beschl. v. 4.6.2007 - 12 U 208/06, NZV 2008, 197 = KGReport Berlin 2008, 196 = VRS 113, 402).
Ist erwiesen oder sprechen erwiesene Tatsachen dafür, dass der Vorausfahrende erst wenige Augenblicke vor dem Unfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist, wofür insbesondere auch eine Schrägstellung des vorausfahrenden Fahrzeugs spricht, greift der Anscheinsbeweis nicht ein (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 4 StVO Rz. 18; s. auch OLG Hamm, Urt. v. 23.9.2003 - 9 U 70/03, VersR 2005, 1303). Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt nämlich voraus, dass beide Fahrzeuge - unstreitig oder erwiesenermaßen - so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können (vgl. OLG Celle, VersR 1982, 960; OLG München NZV 1989, 438; KG, zuletzt Beschl. v. 14.5.2007 - 12 U 194/06 - VRS 113, 418 = NZV 2008, 198 = NJOZ 2008, 780).
Bereits aus dem Vorbringen in der Klageschrift und dem eingereichten Gutachten ergibt sich, dass vorliegend eine Eckkollision bei Schrägstellung der beteiligten Fahrzeuge erfolgte, womit die Typizität eines Auffahrens im gleichgerichteten Verkehr nicht mehr gegeben ist.
2. Zu Recht ist das LG sodann davon ausgegangen, dass der klägerische Fahrer den Unfall allein verschuldete, weil die durchgeführte Beweisaufnahme einen Fahrstreifenwechsel ergeben hat. Es hat die Klage danach zu Recht abgewiesen, da es nach der nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zu der Auffassung gelangt ist, dass der klägerische Fahrer vor dem Unfall einen Fahrspurwechsel vorgenommen und dabei die nach § 7 Abs. 5 StVO erforderliche Sorgfaltspflicht nicht beachtet hat, weshalb es zu dem vorliegenden Unfall gekommen ist.
a) Das LG hat zu dem Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls Beweis erhoben durch Vernehmung der klägerseits benannten Zeugen Tumba und Fischer und die Verwertung der schriftlichen Aussage des Zeugen Struck und diese Beweisaufnahme in der angegriffenen Entscheidung auf den Seiten 4, 5 gewürdigt.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (s. KG, Urt. v. 11.3.2004 - 12 U 285/02, DAR 2004, 387; NZV 2004, 632; Urt. v. 8.1.2004 - 12 UU 184/02, KGReport Berlin 2004, 269, vgl. auch BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 266/03, NJW 2005, 1583).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise Bewei...