Leitsatz (amtlich)
1. a) Die Bestimmungen der EU-Güterrechtsverordnung gelten nur für Ehen, die am 29. Januar 2019 oder später eingegangen wurden und nicht für die Übertragung von Ansprüchen auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, die zwar während der Ehe erworben wurden, aber noch zu keinem ehezeitlichen Renteneinkommen geführt haben.
b) Nach dem autonomem deutschen Kollisionsrecht folgt das Statut des Versorgungsausgleichs dem Scheidungsstatut und deshalb untersteht die Regelung des Versorgungsausgleichs dem nach der Rom III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht.
2. Wenn ein Dritter einem Ehegatten Geld zuwendet und der Ehegatte mit diesem Geld ein Anrecht bei einem Versorgungsträger erwirbt, dann ist das Anrecht, dass der Ehegatte auf diese Weise während der Ehezeit erlangt hat, im Versorgungsausgleich auszugleichen.
3. Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich kein "Mechanismus", um einen untreuen Ehegatten zu sanktionieren. Ein außereheliches Verhältnis während der Ehezeit rechtfertigt deshalb grundsätzlich keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
4. Nicht zielgerichtete Einwirkungen auf ein Versorgungsanrecht, die wie etwa der Verlust des Arbeitsplatzes lediglich beiläufig dazu führen, dass während der Ehezeit keine weiteren Anrechte erworben werden, rechtfertigen grundsätzlich keinen (ganz oder teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 10 F 702/18) |
Tenor
Das Rubrum des am 27. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschlusses des Amtsgerichts Pankow - 10 F 702/18 - wird dahingehend berichtigt, dass dort zusätzlich die folgenden beiden weiteren Beteiligten aufzuführen sind:
A ... Lebensversicherung ..., ... B ...,
Versicherungsnummer ... sowie ... - Versorgungsträger für die Antragsgegnerin (Fa. ... GmbH, B ...)
... Lebensversicherung ..., ... ... ...,
Versicherungsnummer ... - Versorgungsträger für den Antragsteller
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem am 27. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Pankow - 10 F 702/18 - wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.349,40 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem vom Familiengericht am 27. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchgeführt wurde.
Die Antragsgegnerin meint, vom Versorgungsausgleich seien die beiden Anrechte bei der A ... Lebensversicherung ... (Versicherungs-Nr. ... und ...) mit einem Ausgleichswert in Höhe von 6.688,21 EUR bzw. von 16.155,30 EUR auszunehmen; die beiden Anrechte seien nicht zugunsten des Antragstellers zu teilen, weil ein Ausgleich unbillig sei. Maßgeblich hierfür sei einmal, dass es sich bei ihrem Anrecht bei der A ... Lebensversicherung ... Nr. ... mit einem Ausgleichswert von 6.688,21 EUR nicht um ein Anrecht handele, dass "durch Arbeit oder Vermögen" im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG geschaffen worden sei, sondern um ein Anrecht, dass sie praktisch im Wege einer Schenkung erlangt habe. Denn die Beiträge, die auf diesen Versicherungsvertrag geleistet worden seien, stammten nicht von ihr, sondern ihr eigener Vater habe ihr das Geld geschenkt, um ihre "Rentenlücke", die durch ihre Teilzeittätigkeit entstanden sei, schließen zu helfen. Die Zahlungen ihres Vaters seien in rechtlicher Hinsicht genauso zu bewerten wie ein Vermögen, dass ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes durch Schenkung erworben habe: Ein Ausgleich derartiger, schenkweise erlangter Anrechte könne im Rahmen des Versorgungsausgleichs nicht anders behandelt werden wie im Ehegüterrecht; das, was beim güterrechtlichen Ausgleich im Ergebnis durch § 1374 Abs. 2 BGB erreicht werde, müsse sinngemäß entsprechend auch für den Versorgungsausgleich gelten. Der zweite Grund, der dazu führen müsse, dass der Versorgungsausgleich in Bezug auf diese beiden Anrechte ausgeschlossen werde, sei der Umstand, dass der Antragsteller etwa in den Jahren 2007/2008 eine ehewidrige Beziehung eingegangen sei, aus der ein Kind hervorgegangen sei. Von der ehewidrigen Beziehung und dem Kind habe sie durch eine Postkarte erfahren, die mutmaßlich von den seinerzeitigen Arbeitskollegen des Antragstellers anonym in ihren Briefkasten eingelegt worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Antragsteller kurze Zeit nach der Geburt des Kindes durch Kündigung seitens des Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz verloren habe. Grund für die Kündigung soll "sexuelle Belästigung" und "Machtmissbrauch" seitens des Antragstellers gewesen sein. Dass der Antragsteller für das aus der ehewidrigen Beziehung hervorgegangene Kind Unterhalt zahle, habe sie überhaupt erst im Zuge eines von ihr angestrengten Verfahrens auf Leistung von Ehegattenunterhalt erfahren. Im Ergebnis habe die ehewidrige Beziehung des Antragstellers für sie massive, nachteil...