Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs in Fällen, in denen ein Drittgläubiger eines der beteiligten Ehegatten ein in den Versorgungsausgleich einzubeziehendes Anrecht bereits vor Verfahrenseinleitung hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein Drittgläubiger während der Ehezeit ein in den Versorgungsausgleich einzubeziehendes Anrecht pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, so ist das Anrecht entsprechend § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG insgesamt noch nicht ausgleichsreif, so dass hinsichtlich dieses Anrechts der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibt.
Normenkette
VersAusglG § 2 Abs. 1, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1; FamFG § 219 Nr. 2; ZPO § 829 Abs. 1; BGB §§ 135-136
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 07.09.2011; Aktenzeichen 90 F 104/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Schöneberg vom 7.9.2011 - 90 F 104/11 - in Ziff. 2b) des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Hinsichtlich des Anrechts des Ehemannes bei der E.Lebensversicherung AG, H., Versicherungsnummer LV ... 362.4 mit einem Wert von 24.329,65 EUR - garantiertes Deckungskapital zzgl. zugeteilter Überschüsse - bleibt der Anspruch der Ehefrau auf Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 VersAusglG vorbehalten.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die den Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen diese jeweils selbst.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin, eine Lebensversicherungsgesellschaft, wendet sich mit dem Rechtsmittel dagegen, dass das Familiengericht mit dem angegriffenen Scheidungsverbundbeschluss u.a. angeordnet hat, ein bei ihr bestehendes Versorgungsanrecht des Ehemannes aus einer betrieblichen Altersversorgung in Form einer aufgeschobenen konventionellen Kapitallebensversicherung als Direktversicherung nach Berücksichtigung von Teilungskosten i.H.v. 250 EUR im Wege der internen Teilung hälftig auf die Ehefrau zu übertragen. Sie meint, zur Begründung eines Anrechts zugunsten der Ehefrau nicht verpflichtet zu sein, weil an dem Anrecht von ihr zu respektierende, vorrangig zu berücksichtigende Rechte Dritter bestünden. Sie trägt - insoweit unstreitig - vor, bereits mit der Übersendung der Auskunft an das Familiengericht mitgeteilt zu haben, dass das betreffende Anrecht während der Ehezeit von einem Gläubiger des Ehemannes gepfändet wurde in einer Höhe, die den Wert des Anrechts deutlich übersteigt; der Gläubiger habe sich das gepfändete Anrecht zur Einziehung überweisen lassen. Der Antragsteller verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tenor und Gründe der angefochtenen Entscheidung und, soweit es um die weiteren Einzelheiten des Vorbringens geht, auf die Beschwerdeschrift vom 23.9.2011 und den Schriftsatz vom 2.12.2011 Bezug genommen.
II.1. Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde (§§ 58 ff., 228 FamFG) ist nach Maßgabe des Tenors begründet:
a) Bei dem hier in Rede stehenden Anrecht LV ... 362.4 handelt es sich ausweislich der erteilten Auskunft um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung, welches nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist (vgl. MünchKomm/BGB/Dörr [5. Aufl. 2010], § 2 VersAusglG Rz. 16). Das betreffende Anrecht wurde aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes S.vom 10.1.2006 wegen eines Gesamtbetrages i.H.v. 778.399,28 EUR gepfändet. Der Einwand der Antragsgegnerin aus deren Schriftsatz vom 2.12.2011, das Anrecht sei nicht verstrickt, weil in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung andere Versicherungsvertragsnummern genannt werden, geht ersichtlich ins Leere; aus dem Text der Pfändungsverfügung geht vielmehr deutlich hervor, dass die Ansprüche aus "allen" Versicherungsverträgen des Ehemannes bei der Beschwerdeführerin einschließlich von zwei mit den Vertragsnummern bezeichneten Policen gepfändet werden. Damit unterliegt die Beschwerdeführerin einem Zahlungsverbot mit der Folge, dass eine gleichwohl getroffene Verfügung wie eine Übertragung des Anrechts auf die Ehefrau unwirksam wäre, soweit dadurch das Pfändungspfandrecht des Drittgläubigers beeinträchtigt würde (§§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 135, 136 BGB).
b) Dieser Fall ist gegeben; die durch den angegriffenen Beschluss angeordnete interne Teilung des Anrechts des Ehemannes kommt nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin mit der Übertragung eines Teiles des Anrechts auf die Ehefrau unmittelbar auf das bestehende Recht des Ehemannes aus dem Versicherungsverhältnis einwirken (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB [71. Aufl. 2012], § 135 f. Rz. 1, Vor § 104 Rz. 16) und damit das Pfändungspfandrecht des Drittgläubigers in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigen würde:
(aa) Das gilt einmal in Bezug auf die durch die Teilungsordnung der Beschwerdeführerin angeordnet...