Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen
Normenkette
ZPO § 406
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 20.06.2007; Aktenzeichen 24 O 549/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Berlin vom 20.6.2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23.7.2007 aufgehoben und das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 9.2.2007 gegen den durch Beschluss des LG Berlin vom 18.4.2006 bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. L, Berlin für begründet erachtet.
Gründe
Auf die gem. § 406 Abs. 5 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten war der angegriffene Beschluss des LG Berlin aufzuheben und der Befangenheitsantrag der Beklagten gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. L gem. § 406 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO für begründet zu erachten.
Ein Sachverständiger kann wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt einer Partei aus objektive und vernünftige Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen (vgl. bspw. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.4.2007, OLGR Saarbrücken 2007, 636 m.w.N.)
Dies ist vorliegend zu bejahen.
Der Sachverständige hat durch die Ausführungen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7.1.2007, die er auf Grund des Beschlusses des LG Berlin vom 5.12.2006 abgegeben hatte, gegen die gebotene Objektivität, Neutralität und Distanz, die von ihm als gerichtlich bestelltem Sachverständigen erwartet wird, verstoßen.
Dabei kann es entgegen der Annahme des LG dahin stehen, ob die in der Stellungnahme der Beklagten vom 12.10.2006 enthaltenen Ausführungen
"Soweit der Sachverständige außerhalb seines Fachgebietes Unfallfolgen annimmt, ist das Gutachten wertlos und ohne jeden Beweiswert."
überhaupt einen schweren Angriff gegen den Sachverständigen darstellten.
Die Erwiderung des Sachverständigen, die dieser auf Grund des Beschlusses des LG Berlin vom 5.12.2006 mit seiner Stellungnahme vom 17.1.2007 abgab, stellt jedenfalls eine Entgleisung dar, die ohne Zweifel geeignet ist, bei, einer Partei mangelnde Distanz und Neutralität befürchten zu lassen.
Dabei ist bereits die Verwendung der Formulierung, der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten stelle eine Unverschämtheit dar, für sich genommen ausreichend, die Ablehnung zu begründen (vgl. hierzu OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.11.2001 - 13 W 604/01 -).
Soweit der Sachverständige in seiner Stellungnahme darüber hinaus noch ausführt, dass der Brief der Prozessbevollmächtigten der Beklagten als völlig absurd und inkompetent zu bewerten sei, stellt dies einen weiteren Ausfall dar, der deutlich erkennen lässt, dass sich der Sachverständige durch den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten persönlich betroffen fühlte und nicht in der Lage war, hierauf (nur) mit angemessener Schärfe zu reagieren (vgl. hierzu auch LG Dresden, Beschl. v. 30.10.2003 - 2 T 0599/03, 2 T 599/03).
Dass ein Sachverständiger sich mit auch deutlichen Worten gegen massive Angriffe zur Wehr setzen darf, hat das LG in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt und insoweit zutreffend auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 11.7.1996 - 10 W 48/96 - verwiesen.
Es kann hier jedoch, wie bereits ausgeführt, dahin stehen, ob in dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.10.2006 überhaupt massive Angriffe gegen den Sachverständigen enthalten waren. Denn die dem Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 17.1.2007 unterlaufenen sprachlichen Entgleisungen stellen keine kritischen Anmerkungen in deutlichen Worten mehr dar, sondern ausschließlich ersichtlich emotional hervorgerufene Angriffe gegen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Der Beurteilung des LG, dass diese sich in den Grenzen des gerade noch Hinnehmbaren halten, ist nicht zu folgen.
Eine gesonderte Kostenentscheidung ist entbehrlich, da bei erfolgreicher Beschwerde deren Kosten Kosten des Rechtsstreits sind (Zöller/Vollkommer, 26. Aufl., § 46 ZPO Rz. 20; OLG Saarbrücken, a.a.O.).
Fundstellen
MDR 2008, 528 |
NZV 2008, 359 |
VersR 2009, 566 |
DS 2008, 277 |
OLGR-Ost 2008, 481 |