Leitsatz (amtlich)
1. Ein unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangener Verweisungsbeschluss ist für das aufnehmende Gericht entgegen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ausnahmsweise nicht bindend. Eine Stellungnahmefrist von nur einer Woche reicht im Regelfall nicht aus, um das rechtliche Gehör zu gewährleisten.
2. Eine von dem Kläger gemäß § 35 ZPO getroffene Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten wird erst mit Eintritt der Rechtshängigkeit bindend, was eine Zustellung der Klage voraussetzt (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO). Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Kläger eine bereits getroffene Wahl durch eine Erklärung gegenüber dem zunächst angegangenen Gericht jederzeit noch ändern.
3. Fallen im Anwendungsbereich von § 32b Abs. 1 ZPO der Sitz desjenigen, der als Emittent bzw. Anbieter einer sonstiger Vermögensanlage (Beteiligung an einem Medienfonds) auftritt, und der Sitz der Fondsgesellschaft auseinander, ist an beiden Ort eine Zuständigkeit begründet; dem Kläger steht daher insoweit ein Wahlrecht nach § 35 ZPO zu (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 8.12.2015 - X ARZ 573/15).
Normenkette
ZPO § 32b Abs. 1, §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1, § 281 Abs. 2 S. 4; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Das LG Frankfurt am Main wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Der in ... L. bei Chemnitz wohnhafte Kläger nimmt die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der D. Bank AG im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem Medienfonds aus Delikt sowie Beratungs- bzw. Aufklärungsverschulden auf Schadensersatz in Anspruch. Nach dem Vorbringen des Klägers wurde die D. Bank nicht nur mehrfach an prominenter Stelle in dem Fondsprospekt erwähnt, sondern fungierte darüber hinaus u.a. als Einzahlungs- und Platzierungsgarantin, alleinige Eigenkapitalvermittlerin sowie Alleingesellschafterin der Prospektherausgeberin. Die mittlerweile aufgelöste und aus dem Handelsregister gelöschte Fondsgesellschaft hatte ihren Sitz zuletzt in Berlin. Sowohl die Beklagte als auch die frühere D. Bank AG sind bzw. waren hingegen jeweils in Frankfurt am Main ansässig.
Der Kläger hat seine Kläger zunächst beim LG Berlin eingereicht. Noch vor Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses hat er mit einem weiteren Schriftsatz unter Hinweis auf einen Verweisungsbeschluss in einem Parallelverfahren die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Frankfurt am Main beantragt. Am 26.3.2015 verfügte der Berichterstatter der zuständigen Zivilkammer die formlose Übersendung dieses Schriftsatzes an die Beklagte zur Stellungnahme binnen einer Woche. Mit einer weiteren Verfügung vom 9.4.2015 veranlasste der Vorsitzende die Zustellung der Klageschrift und setzte der Beklagten eine Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige ihrer Verteidigungsbereitschaft sowie eine Frist von weiteren vier Wochen zur Klageerwiderung. Ferner gab er der Beklagten auf, binnen einer Frist von einer Woche zu dem Verweisungsantrag des Klägers Stellung zu nehmen. Die Zustellung der Klage erfolgte am 15.4.2015. Nachdem die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 27.4.2015 ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatten, erklärte sich das LG Berlin mit Beschluss vom 28.4.2015 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Frankfurt am Main. Zur Begründung führte es aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Anbieterin im Sinne der Fondsbeteiligung im Sinne von § 32b Abs 1 Nr. 1 ZPO anzusehen sei, woraus sich eine ausschließliche Zuständigkeit des LG Frankfurt am Main ergebe.
Nach Eingang der Akten bei dem LG Frankfurt am Main rügte die Beklagte die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts und beantragte die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG Berlin. Hierzu machte sie geltend, dass ihr kein hinreichendes rechtliches Gehör zu der erfolgten Verweisung gewährt worden sei. Einen Schriftsatz mit dem Verweisungsantrag des Klägers habe sie nie erhalten. Die mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gesetzte Frist von einer Woche sei viel zu kurz gewesen, um zum dem - ihr nicht vorliegenden - Verweisungsantrag Stellung nehmen zu können. In der Sache sei die Verweisung des Rechtsstreits zu Unrecht erfolgt, weil das LG Berlin im Hinblick auf den Sitz der Fondsgesellschaft neben dem LG Frankfurt am Main ebenfalls zuständig sei und der Beklagte das ihm zustehendes Wahlrecht bereits mit der Einreichung der Klage verbindlich ausgeübt habe. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 17.11.2015 ebenfalls die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG Berlin.
Nach einer mündlichen Verhandlung vom 5.2.2016 hat sich das LG Frankfurt auf den übereinstimmenden Antrag der Parteien mit Beschluss vom 19.2.2016 für örtlich nicht zuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Berlin zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Fondsgesellschaft als Anbieter der Vermögensanlage im Sinne von § 32b Abs. 1 Hs. 2 ZPO anzusehen sei, woraus die ausschließliche Zuständigkeit des LG Berlin folge. Der von diesem Geri...