Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren trotz Fehlen eines Antrags
Leitsatz (amtlich)
Die Terminsgebühr nach VV 3105 (1) Nr. 2 RVG entsteht auch dann, wenn das Gericht ein Versäumnisurteil erlässt, obwohl ein Antrag nach § 331 Nr. 3 ZPO nicht gestellt worden ist.
Die Terminsgebühr wird in diesem Falle nicht durch eine Tätigkeit des Anwalts sondern durch den Erlass der Entscheidung ausgelöst.
Normenkette
ZPO § 331 Abs. 3; RVG-VV Nr. 3105 (1) Nr. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.04.2006; Aktenzeichen 82 AR 38/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird in Abänderung des Beschlusses des LG Berlin vom 13.4.2006 - 11 O 225/05 - die dem Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung anderweit auf 376,07 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die vom LG zugelassene Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG ist innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden und damit zulässig. Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung der mit dem Antrag vom 27.9.2005 beantragten Festsetzung der Vergütung gem. § 55 Abs. 1 RVG in dem nach der Teilabhilfe durch die Beschlüsse des LG vom 15.2.2006 und - diesen abändernd - vom 13.4.2006 verbliebenen Umfang.
2. In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg.
a) Ohne Erfolg beanstandet der Rechtsanwalt, dass der Rechtspfleger beim LG nur eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 RVG-VV in Ansatz gebracht hat. Allerdings steht der Umstand, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.10.2005 zunächst die gesamten Rechtsanwaltsgebühren gegen den Beklagten festgesetzt worden sind, einer Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren aus der Landeskasse nicht mehr entgegen, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.5.2006 auf die Rechte aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss verzichtet hat. Der Rechtsanwalt hat jedoch nach dem Zeitpunkt, ab dem der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nämlich dem 17.9.2005, als beigeordneter Rechtsanwalt keine Tätigkeit mehr entfaltet, die eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV auslösen würde. Für solche Tätigkeiten, die er vor dem Wirksamwerden seiner Beiordnung geleistet hat, steht dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt ggü. der Staatskasse kein Vergütungsanspruch zu (BGH AGS 1997, 141; OLGReport Celle, 2001, 273 f.; KG Rpfleger 1978, 390 f.). Er kann von der Staatskasse nur diejenigen Tätigkeiten vergütet verlangen, die er nach dem Wirksamwerden der Beiordnung vorgenommen hat. Er erhält nur diejenigen Gebühren, die seit seiner Beiordnung erstmals oder wiederholt entstehen in derjenigen Höhe, die seiner Tätigkeit ab diesem Zeitpunkt entspricht (OLG Celle, a.a.O.). In diesem Zusammenhang beanstandet der Rechtsanwalt zu Unrecht, dass das LG Prozesskostenhilfe erst mit Wirkung ab dem 17.9.2005 bewilligt hat. Der für die Klägerin unter dem 25.8.2005 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das streitige Verfahren ist erst am 17.9.2005 bei Gericht eingegangen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen früheren Zeitpunkt als denjenigen der Antragstellung ist rechtlich nicht zulässig (BGH JurBüro 1993, 51; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 119 Rz. 37 m.w.N.), so dass es auf die Frage nicht mehr ankommt, ob die Beschwerde vom 31.10.2005 so aufgefasst werden kann, dass sie sich auch gegen den Zeitpunkt richtet, ab dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.
Um eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV zu verdienen, hätte der Rechtsanwalt nach dem 17.9.2005 einen ein Verfahren einleitenden Antrag stellen oder einen Schriftsatz einreichen müssen, der Sachanträge, Sachvortrag oder die Zurücknahme der Klage enthielt, oder für die Klägerin einen Termin wahrnehmen müssen (vgl. Gerold/Müller-Rabe, RVG, 17, Aufl., Nr. 3101 RVG-VV Rz. 14). Anderenfalls erhält der Rechtsanwalt nur eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV. Hier hat sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach dem 17.9.2005 auf die Entgegennahme der vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils am 27.9.2005 beschränkt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9, 12 RVG), so dass es bei der 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV zu verbleiben hat. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist zuzugeben, dass ein Fall der vorzeitigen Erledigung oder Beendigung des Mandats, den VV 3101 Nr. 1 als besondere Bestimmung zu § 15 Abs. 4 RVG regelt, nicht vorzuliegen scheint, da das Mandat erst mit der vollständigen Erledigung der Angelegenheit beendet war. Das Wort "bevor" ist aber nicht allein als zeitliche Bestimmung anzusehen, sondern wie "ohne dass" zu verstehen (Mayer/Kroiß, RVG Nr. 3101 Rz. 9 m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat auch nicht, was zur Entstehung der vollen Verfahrensgebühr nach VV 3100 ausreicht, "für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen". In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob - was nachfolgend zu 2. erörtert wird - für die Entst...