Entscheidungsstichwort (Thema)

Trunkenheitsfahrt

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Augenblicksversagen bei Unfall mit einer BAK von 0,91 Promille, wenn VN am Samstagnachmittag Bier in nicht näher angegebenem Umfang trinkt, sodann aufbricht, um seine Ehefrau, seine Tochter und weitere Personen von einem Schulfest abzuholen, ohne seine Fahrtüchtigkeit aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums zu hinterfragen und dies ein zweites Mal nach Zustieg dieser Personen für die Rückfahrt unterlässt. Die Angabe des VN, er habe sich vor den jeweiligen Fahrtantritten nicht in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gefühlt, kann ihn von dem objektiven Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entlasten

 

Normenkette

VVG a.F. § 61

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.01.2010; Aktenzeichen 41 O 127/09)

 

Gründe

1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, seine Berufung vom 10.3.2010 gegen das am 26.1.2010 verkündete und am 16.2.2010 zugestellte Urteil der Zivilkammer 41 des LG Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel in der Sache keinen Erfolg hat (Nr. 1), der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (Nr. 2) und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern (Nr. 3).

Das LG hat die Klage auf Zahlung einer Vollkaskoentschädigung wegen der Beschädigungen des Pkw Renault Scenic bei dem Unfallereignis vom 27.6.2008 abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte sei leistungsfrei, weil der Kläger den Versicherungsfall grobfahrlässig i.S.d. § 61 Alt. 2 VVG a.F. verursacht habe.

Der allein gegen die Annahme der subjektiven Komponente der groben Fahrlässigkeit gerichtete Berufungsangriff des Klägers lässt weder Rechtsfehler im Rahmen der Entscheidungsfindung erkennen noch gibt er konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist ihm vorliegend hinsichtlich des Kaskoschadens -selbst unter Berücksichtigung seines Berufungsvorbringens- auch der gesteigerte subjektive Vorwurf grober Fahrlässigkeit nach § 61 VVG a.F. zu machen, da er bei einer gewissenhaften Selbstprüfung vor Fahrtantritt seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hätte erkennen können.

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist im Gesetz nicht definiert. Die obergerichtliche Rechtsprechung legt den Begriff in ständiger Rechtsprechung dahingehend aus, dass ein Handeln als grob fahrlässig anzusehen ist, wenn dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in unge-wöhnlich hohem Maße verletzt wird, wenn naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben werden und dasjenige unbeachtet bleibt, was unter den gegebenen Umständen sich jedem aufdrängen müsste (vgl. BGH ZIP 2000, 146). Nach ständiger Recht-sprechung des BGH gilt für diesen Begriff der groben Fahrlässigkeit kein aus-schließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen (BGH VersR 1992, 1085 - 1086 m.w.N.). Dabei soll jedoch ein objektiv grob fahrlässiger Pflichtenverstoß die erhöhte subjektive Vorwerfbarkeit zunächst indizieren; Besonderheiten können im Einzelfall aber im Sinne einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der subjektiv groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen (BGH, a.a.O.).

Entsprechende subjektive Besonderheiten hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er sich im Rahmen seiner Berufungsbegründung erneut darauf beruft, er habe eine alkoholbedingte Einschränkung seiner Fahrtüchtigkeit bei Fahrtantritt nicht wahrgenommen und daraus den Schluss ziehen will, deshalb könne ihm jedenfalls subjektiv nicht der Vorwurf einer gesteigerten Fahrlässigkeit gemacht werden, so geht dies fehl.

Soweit die Rechtsprechung einzelner OLG subjektive Besonderheiten des Einzelfalles als Entlastung vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit anerkannt hat, bezog sich dies regelmäßig auf ein sog. "Augenblicksversagen". Dies erfolgte mit der Begründung, dass gerade im Bereich der Vollkaskoversicherung, mit deren Abschluss sich der Versicherungsnehmer insbesondere vor den Folgen absichern will, die er aufgrund seiner eigenen menschlichen Unzu-länglichkeit verschuldet, der Versicherungsschutz über § 61 VVG a.F. nicht für solche Fälle entfallen darf, die "jedem", auch dem im allgemeinen sorgsamen Versicherungsnehmer, unterlaufen können (vgl. z.B. OLG Frankfurt VersR 2001, 1276 - 1278; OLG Hamm VersR 1988, 1260; OLG Köln NJW-RR 1991, 480). Unabhängig davon, dass diese Rechtsprechung uneinheitlich und auch nicht unumstritten ist (vgl. Nachweise bei Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 61 Rz. 12), hält der BGH ein Augenblicksversagen auch erst bei Hinzukommen weiterer subjektiver Besonderheiten fü...

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