Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit von dem BGB unterliegender Erbausschlagungen seitens im alten Bundesgebiet lebender Erben bei Unkenntnis von in der ehemaligen DDR belegenen Immobiliennachlaßvermögens. den am 12. August 19225 geborenen und am 29. April 1989 mit letztem Wohnsitz A. S. 4, 1 B. 3 verstorbenen
Leitsatz (amtlich)
Ist eine nach dem BGB zu beurteilende Ausschlagung von im alten Bundesgebiet lebenden Erben vor der Wende in der politischen Entwicklung in Unkenntnis von zum Nachlaß gehörenden, in der ehemaligen DDR belegenen Immobilienvermögens erklärt worden, so kann dies trotz damaliger Nichtverfügbarkeit oder Nichtverwertbarkeit solchen Nachlaßvermögens für die Erben ein zur Anfechtung der Ausschlagung berechtigender Irrtum sein, wenn darüber hinaus feststeht, daß bei Kenntnis des Vorhandenseins solchen Vermögens seinerzeit die Ausschlagung nicht erklärt, sondern die Erbschaft angenommen worden wäre. Das Nachlaßgericht hat dabei von Amts wegen zu prüfen, ob der Anfechtungsgrund einschließlich der Ursächlichkeit als festgestellt zu erachten ist, wobei die entsprechende Fesstellungslast in vollem Umfang der Anfechtende trägt (Ergänzung zu Senat DAZ 1992, 187).
Normenkette
BGB §§ 119, 1954
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.11.1990; Aktenzeichen 83 T 241/90) |
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 25.06.1990; Aktenzeichen 65 VI 302/90) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg – Rechtspfleger – vom 25. Juni 1990 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Erörterung und Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Gründe an das Amtsgericht Schöneberg – Nachlaßgericht – zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte ist der Sohn des am 29. April 1989 in Berlin-Zehlendorf verstorbenen Erblassers, dessen Gebrechlichkeitspfleger er in den letzten zwei Jahren vor dessen Tod war. Nach dem Vorbringen des Beteiligten ist er das einzige Kind des Erblassers und ist seine Mutter, die Ehefrau des Erblassers, vorverstorben. Eine letztwillige Verfügung ist offenbar nicht vorhanden. Am 2. Juni 1989 hat der Beteiligte zur Niederschrift des Rechtspflegers des Amtsgerichts Schöneberg erklärt, daß er die Erbschaft nach seinem Vater ausschlage. Als Ausschlagungsgrund hat er angegeben, daß der Nachlaß überschuldet und ein sicherungsbedürftiger Nachlaß nicht vorhanden sei.
Mit notarieller Erbscheinsverhandlung vom 10. April 1990 – bei Gericht eingegangen am 25. April 1990 – hat der Beteiligte die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. In der Erbscheinsverhandlung ist angegeben, daß der Erbe die Erbschaft ausgeschlagen, die Ausschlagung aber angefochten habe. Erst mit Schriftsatz vom 18. Mai 1990 erklärte der antragseinreichende Notar „namens und in Vollmacht” des Beteiligten die Anfechtung der Ausschlagungserklärung. Zur Begründung finden sich allgemeine theoretische Ausführungen zum Eigentum an Grundstücken in der deutschen Demokratischen Republik und zur Möglichkeit der Anfechtung einer Erbschaftsausschlagung wegen Irrtums.
Das Nachlaßgericht – Rechtspfleger – hat den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins durch Beschluß vom 25. Juni 1990 mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Anfechtung jedenfalls nicht wirksam sei, weil kein rechtserheblicher Irrtum bei der Ausschlagung vorgelegen habe. Hiergegen hat der Beteiligte eine als sofortige Beschwerde bezeichnete Erinnerung eingelegt, der der Rechtspfleger und die Richterin des Amtsgerichts Schöneberg nicht abgeholfen haben und die die Richterin dem Landgericht Berlin vorgelegt hat. Auf einen Hinweis des Landgerichts zur Form der Anfechtungserklärung hat der Beteiligte mit Schriftsatz des amtlich bestellten Notarvertreters für den antragseinreichenden Notar eine notariell beglaubigte, an das Amtsgericht Schöneberg – Nachlaßgericht – adressierte Anfechtungserklärung vom 14. August 1990 am 16. August 1990 beim Landgericht eingereicht mit der Bitte, die Anfechtungserklärung zu den Nachlaßakten zu nehmen. In dieser Anfechtungserklärung findet sich die Angabe, daß zum Nachlaß ein in der deutschen Demokratischen Republik gelegenes Grundstück gehöre. Das Landgericht hat die als Beschwerde geltende Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten, mit der er vorträgt, er habe im April 1990 von einem entfernten Onkel erfahren, daß die Familie seiner Großmutter, die der Erblasser seinerseits beerbt habe, in Suhl/Thüringen und Umgebung „adligen Grundbesitz” besessen habe, der 1945 enteignet worden sein solle; es gehe dem Beteiligten im vorliegenden Fall um eventuelle Entschädigungsansprüche. Er, der Beteiligte, habe – so trägt er weiter vor – bei Abgabe der Ausschlagungserklärung nicht gewußt, daß Grundbesitz und/oder Entschädigungsansprüche zum Nachlaß gehörten.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach § 27 FGG statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts und des Beschlusses des Am...