Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgebühren: Entstehen einer Einigungsgebühr bei Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs löst eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV, RVG aus, wenn mangels vollständiger Ermittlungen weder die Person des Ausgleichspflichtigen noch die Höhe eines Ausgleichs bekannt sind.
Der Beschluss ist rechtskräftig.
Normenkette
VV-RVG Nrn. 1000, 1003
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 06.08.2009; Aktenzeichen 139 AR 72/09, 179 F 12185/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 6.8.2009 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Auf die Erinnerung des Beteiligten wird der Beschluss der Rechtspflegerin vom 7.7.2009 teilweise abgeändert:
Zu Gunsten von Rechtsanwalt ... wird eine aus der Landeskasse zu zahlende weitergehende Vergütung von 158,27 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG erforderliche Wert erreicht, da der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel den ursprünglichen Festsetzungsantrag weiter verfolgt, auch soweit die Einigungsgebühr auf der Grundlage des Gegenstandswerts der Scheidungssache berechnet wird.
Das Rechtsmittel ist teilweise begründet. Dem Beschwerdeführer ist eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000, 1003 RVG-VV nach dem Wert der Folgesache Versorgungsausgleich (2000 EUR) zu vergüten.
Die Erklärung der Eheleute im Termin vom 1.7.2009, dass sie wegen der kurzen Dauer der Ehe, deren Kinderlosigkeit sowie der geringfügigen rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit gegenseitig auf Versorgungsausgleichsansprüche verzichten würden, beinhaltet eine über den bloßen Verzicht hinausgehende Einigung, da mangels abschließender Ermittlungen der Versorgungsanwartschaften der Eheleute weder die Person des Ausgleichsberechtigten noch die Höhe eines Ausgleichs feststanden. Das AG ist zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich eine Erklärung ist, die eine Einigungsgebühr nicht auslöst; denn da nur einer der Parteien ein Ausgleichsanspruch zusteht, handelt es sich regelmäßig nur um den Verzicht eines Beteiligten. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt aber nur, wenn die Höhe der jeweiligen Versorgungsanwartschaften feststehen und so der Ausgleichspflichtige bekannt ist oder zumindest bekannt sein kann (so in dem Verfahren 19 WF 255/07).
Eine abweichende Beurteilung ist aber gerechtfertigt, wenn mangels (vollständiger) Ermittlungen weder die Person des Ausgleichspflichtigen noch die Höhe eines Ausgleichs bekannt sind (ebenso z.B. OLG Zweibrücken OLGReport Zweibrücken 2009, 581; OLG Köln NJW 2009, 237; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 f. und 2142; OLG Celle FamRZ 2007, 2001; a.A. OLG Karlsruhe NJW 2007, 1072). In diesem Fall besteht eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis i.S.v. Nr. 1000 RVG-VV, das durch die Einigung beseitigt wird. Nach dem zweiten Halbsatz des Abs. 1 der Nr. 1000 RVG-VV reicht zwar ein einseitiger Verzichts oder ein Anerkenntnis für die Entstehung der Einigungsgebühr nicht aus. Dieser Ausschlussgrund besteht aber nur dann, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH MDR 2007, 492). Das ist - ebenso wie bei der Kombination von Anerkenntnis und Verzicht (BGH, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., Nr. 1000 RVG-VV Rz. 182) - dann nicht der Fall, wenn beide Beteiligte einen Verzicht erklären ohne wissen zu können, wer tatsächlich eine Position verliert.
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer die Einigungsgebühr nach dem Wert des gesamten Verfahrens einschließlich der Scheidungssache begehrt. Die Einigungsgebühr kann nur nach dem Wert der Folgesache Versorgungsausgleich ermittelt werden, § 15 Abs. 3 RVG. Nur hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstands wurde das Verfahren durch die Einigung der Eheleute gütlich beendet. Hinsichtlich der Ehescheidung konnte durch die Einigung die "Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis" (Nr. 1000 RVG-VV) nicht beseitigt werden, da sie nicht der Disposition der Eheleute unterliegt.
Zusätzlich zu erstatten ist daher eine Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 RVG-VV) i.H.v. 133 EUR nebst anteiliger Mehrwertsteuer von 25,27 EUR.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 2323624 |
JurBüro 2010, 359 |
AGS 2010, 325 |
BerlAnwBl 2010, 178 |
FF 2011, 131 |
FamFR 2010, 209 |
HRA 2010, 11 |