Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Betroffene nach dem Konsum von Cannabis als Kraftfahrer am Straßenverkehr teil, handelt er nach § 24a Abs. 3 StVG fahrlässig, wenn er nicht sicher sein kann, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum abgebaut ist. Kann er diese Gewissheit nicht erzielen, darf er nicht am Straßenverkehr teilnehmen.
2. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass, an der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert bei der Fahrt erreicht wird.
Normenkette
StVG § 24a Abs. 3
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 24.03.2014; Aktenzeichen 308 OWi 1399/13) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. März 2014 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis nach § 24a Abs. 2, 3 StVG zu einer Geldbuße von 575,00 Euro verurteilt und unter Zubilligung des Erstverbüßerprivilegs (§ 25 Abs. 2a StVG) ein einmonatiges Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG festgesetzt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene konsumiert gelegentlich Cannabis. Dies ist, seinen Angaben zufolge, im Medienbereich nicht unüblich, und "hin und wieder" hat er bei Veranstaltungen mal "an einem Joint gezogen". Im März 2013 befand sich der Betroffene in der Schweiz im Skiurlaub, wo er ebenfalls ab und zu einen Joint geraucht bzw. mitgeraucht hat. Das Cannabis wurde ihm von Schweizer Freunden bzw. Bekannten zur Verfügung gestellt; wo diese es herhatten, war dem Betroffenen nicht bekannt. Am Abend des 18.März 2013 fand zum Ende des Skiurlaubs eine Art Abschiedsfeier statt, die sich bis in die frühen Morgenstunden des 19.März 2013, gegen 03:00 Uhr oder 04:00 Uhr, hinzog und bei welcher der Betroffene auch an Joints mitrauchte und so genannte "Haschischkekse" aß, ohne dass Einzelheiten zur Konsummenge konkret festgestellt werden konnten. Zurück in Berlin befuhr der Betroffene am Folgetag, dem 20.März 2013, gegen 19:45 Uhr mit dem PKW VW, amtliches Kennzeichen: WI-XXXXXX, die H-Straße in B., obwohl er bei gehöriger Selbstprüfung und Gewissensanspannung hätte wissen können, dass er noch unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis stand. Die ihm am Tattag um 21:05 Uhr entnommene Blutprobe wies 1,4 ng/ml Tetrahydrocannabinol, 28 ng/ml THC-Carbonsäure (und 0,27 ng/ml 11-Hydorxy-THC) auf."
Die Beweise hat das Amtsgericht u. a. wie folgt gewürdigt:
"Die Feststellungen zum Zeitpunkt seines letzten Konsums von Cannabis beruhen gleichfalls auf den glaubhaften Angaben des Betroffenen, welche im Ergebnis durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Rießelmann, früher Toxikologe im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin, bestätigt werden. Dieser hat überzeugend erklärt, dass das Untersuchungsergebnis mit ganz gelegentlichem Cannabiskonsum nicht in Einklang zu bringen sei, bei mehrtägigem Rauchen von Joints und dem zusätzlichen Konsum mehrerer Haschischkekse aber schon. In diesem Fall können die festgestellten Werte von THC und THC-Carbonsäure zutreffen. Das Gericht ist daher nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung der Erläuterungen des Sachverständigen den Angaben des Betroffenen gefolgt und zu seinen Gunsten von einem letzten THC-Konsum am 19.03.2013 um 03:00 Uhr, also knapp 41 Stunden vor der Tat bzw. rund 42 Stunden vor der Blutentnahme, ausgegangen."
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Amtsgericht weiter aus:
"Dabei spielten die vom Zeugen Polizeikommissar E. festgestellten Ausfallerscheinungen (Zittern, geweitete Pupillen, verlangsamte Pupillenreaktion, grundloses Kichern) im Ergebnis keine Rolle, denn konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Körperreaktionen zwingend rauschmittelbedingt waren, lagen ebenso wenig vor, wie dafür, dass diese dem Betroffenen bewusst gewesen sind.
Der Betroffene ist vielmehr der Auffassung, dass er nicht fahrlässig gehandelt habe, denn er habe sich gut und fahrtauglich gefühlt, und so lange (fast 41 Stunden) nach dem letzten Konsum habe er nicht mehr damit rechnen müssen, dass in seinem Körper noch THC wirke. Diese Auffassung ist unzutreffend. Fahrlässig handelt nach allgemeiner Ansicht, wer die im Verkehr erforderlich Sorgfalt subjektiv vorwerfbar außer Acht lässt. Dies hat der Betroffene getan. Es ist für jeden Laien ohne weitere Schwierigkeiten feststellbar, wie lange der Konsum von THC im Körper nachweisbar ist. Soweit der Betroffene behauptet hat, er habe "im Internet" (ohne weitere Konkretisierungen) nachgelesen, dass die Wirkung von Cannabis nach etwa acht Stunden nachlasse, hat ihm das Gericht nicht geglaubt. Eine ganz simple Eingabe der Begriffe "Cannabis" und "Auto fahren" in der Suchmaschine "Google" ergibt bereits auf der ersten Seite mehrere Treffer zu ...