Leitsatz (amtlich)

1. In Fällen, in denen die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht in Betracht kommt - hier: Widerruf eines Erbvertrags -, gelten die Grundsätze der Rechtsprechung über die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung ohne Einschränkung. Danach kommt es nur darauf an, ob das Gericht bei der Bewilligung hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorlagen (BGH v. 19.12.2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311 ff. = MDR 2002, 600 = BGHReport 2002, 242 m. Anm. Stöber).

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine öffentliche Zustellung erschlichen worden ist, kommt es ausschließlich auf die Kenntnis des Erklärenden an. Bessere Kenntnis Dritter, deren er sich für die Nachforschungen bedient, ist ihm nicht als eigene Kenntnis zuzurechnen. Die Kenntnis eines möglichen Aufenthalts reicht nicht, wenn der Erklärende davon ausgehen darf, dass dort ein nachweisbarer Zugang nicht möglich ist.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 09.03.2004; Aktenzeichen 83 T 139/01)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 162/166-VI 4656/98)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von bis zu 4.000 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Der Beteiligte zu 2) ist ein Sohn des am 23.10.1998 verstorbenen Erblassers aus zweiter Ehe, die Beteiligte zu 1) ist seine dritte Ehefrau. Im Rahmen des zwischen dem Erblasser und seiner zweiten Ehefrau vor dem LG Berlin wegen der Scheidung geführten Rechtsstreits schloss der Erblasser am 2.4.1962 zu Protokoll des Gerichts einen Erbvertrag mit seiner zweiten Ehefrau, die zugleich den Beteiligten zu 2) vertrat. Mit einer notariell beurkundeten Erklärung vom 5.4.1994 trat der Erblasser dann von diesem Erbvertrag zurück. Die Ausfertigung dieser Urkunde wurde dem Beteiligten zu 2) nach einer entsprechenden Bewilligung durch das AG Charlottenburg mit Beschl. v. 15.8.1994 - 70-II 366/94, mit Wirkung vom 6.9.1994 öffentlich zugestellt. Am 22.4.1994 errichtete der Erblasser gemeinsam mit der Beteiligten zu 1) ein privatschriftliches Testament, in dem sich die Ehegatten jeweils zu alleinigen Erben einsetzten. Zugleich entzog der Erblasser dem Beteiligten zu 2) seinen Pflichtteil. Am 3.12.1998 beantragte der Beteiligte zu 2) die Erteilung eines ihn als Miterben zu 1/8 ausweisenden Erbscheins. Mit einem Erbscheinsantrag vom 4.1.1999 begehrte die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines sie als Alleinerbin aufgrund testamentarischer Anordnung ausweisenden Erbscheins. Mit Vorbescheid vom 28.11.2000 hat das AG Schöneberg die Erteilung eines dem Antrag des Beteiligten zu 2) entsprechenden Erbscheins angekündigt, zugleich hat es den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 17.1.2001 hat das LG mit Beschl. v. 9.3.2004 den Vorbescheid vom 28.11.2000 aufgehoben und das AG angewiesen, der Beteiligten zu 1) den von ihr beantragten Erbschein zu erteilen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2) mit seiner weiteren Beschwerde vom 23.3.2004, die mit Anwaltsschriftsatz vom 31.3.2006 näher begründet worden ist. Am 6.12.2004 hat das AG Schöneberg auf einen Antrag der zweiten Ehefrau des Erblassers hin, einen die Beteiligte zu 1) als Erbin zu 7/8 ausweisenden Teilerbschein erteilt.

B. Die weitere Beschwerde vom 23.3.2004 ist zulässig. Der Beteiligte zu 2) wird durch den Beschluss des LG Berlin vom 9.3.2004, mit dem der Vorbescheid des AG Schöneberg vom 28.11.2000 aufgehoben wird, beschwert. Die Beschwer ergibt sich daraus, dass das LG das AG angewiesen hat, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1), der die von dem Beteiligten zu 2) für sich in Anspruch genommene Erbenstellung nicht berücksichtigt, stattzugeben.

II. Die weitere Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Der Beschluss des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. §§ 546 f. ZPO). Das LG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge nach dem Erblasser allein nach dem Testament vom 22.4.1994 und nicht nach dem Erbvertrag vom 2.4.1962 richtet.

1. Das LG hat insoweit ausgeführt: Eine Bindung des Nachlassgerichts sei nicht durch das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des AG Schöneberg, Az.: 102 C 41/99, eingetreten, mit dem die Beteiligte zu 1) verurteilt worden ist, dem Beteiligten zu 2) Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Auch sei der Erbvertrag vom 2.4.1962 wirksam unter Beteiligung des Beteiligten zu 2) als Vertragspartner abgeschlossen worden. Der Erbvertrag entfalte jedoch keine Wirkungen, so dass sich die Erbfolge nach dem privatschriftlichen Testament vom 22.4.1994 richte, weil der Erblasser von dem Erbvertrag wirksam zurückgetreten sei. Durch die öffentliche Zustellung der Rücktrittserklärung vom 5.4.1994 an den Beteiligten zu 2) sei die Zugangsfiktion nach § 132 Abs. 2 BGB eingetreten. Denn die öffentliche Zustellung sei unabhängig von einem etwaigen Erschleichen dieser Zustellung durch den Erblasser wirksam. Die Beteiligte zu 1) sei auch...

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