Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bindungswirkung von Verweisbeschlüssen nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
Leitsatz (amtlich)
Bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen aufgrund Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung ist nach der unverändert geltenden Rechtsprechung ein einheitlicher Erfüllungsort und damit ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO an dem Ort anzunehmen, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Kaufvertrages vertragsgemäß befindet (Anschluss an BGH, Urteil vom 09. März 1983 - VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104).
Der Austauchort ist auch dann für die Bestimmung des Erfüllungsorts maßgeblich, wenn die verkaufte Sache untergegangen oder bereits an den Verkäufer zurückgeben worden ist, da hierdurch Zufallsergebnisse vermieden werden und der Käufer nicht schlechter stehen sollte, als wenn der die Kaufsache behalten hätte.
Normenkette
ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 14 O 91/20) |
LG Rostock (Aktenzeichen 3 O 912/20) |
Tenor
Das Landgericht Berlin wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Der in Berlin wohnhafte Kläger nimmt die in 18230 Biendorf ansässige Beklagte auf Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrags in Anspruch. Der Kläger erwarb am 5. Juli 2019 auf dem Firmengelände der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum privaten Gebrauch zu einem Kaufpreis von 6.300 Euro. Ferner wurde die Auslieferung des Fahrzeugs nach Berlin gegen Zahlung weiterer 450 Euro vereinbart. Nach Erhalt des Fahrzeugs erhob der Kläger wiederholt Mängelrügen. Am 22. September 2019 wurde das Fahrzeug beim Kläger zur Nachbesserung abgeholt. Mit einem Anwaltsschreiben vom 16. Januar 2020 erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit seiner ursprünglich bei dem Landgericht Berlin erhobenen Klage macht der Kläger die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises und der Überführungskosten sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend. Die Beklagte hat nach Zustellung der Klage ihre Passivlegitimation bestritten und die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt, worauf der Kläger mit einem Schriftsatz vom 20. August 2020 unter Nachweis einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs und einer Kommentarstelle auf die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen hat, nach der bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen ein einheitlicher Erfüllungsort und damit Gerichtsstand nach § 29 ZPO an dem Ort anzunehmen ist, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Kaufvertrags vertragsgemäß befindet.
Mit einem Beschluss vom 31. August 2020 hat sich das Landgericht Berlin aufgrund eines gleichwohl hilfsweise gestellten Verweisungsantrags des Klägers dessen ungeachtet für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Rostock verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Zuständigkeit nach § 29 ZPO in Berlin bestehe nicht, weil vertraglicher Erfüllungsort das Firmengelände der Beklagten sei. Der eigentlich geplante Einsatz des Fahrzeugs am Wohnsitz des Klägers ändere hieran nichts.
Das Landgericht Rostock sieht sich durch die Verweisung nicht gebunden, hat sich nach Anhörung der Parteien mit einem Beschluss vom 3. November 2020 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
II. 1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, weil das zuerst mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Berlin zu seinem Bezirk gehört und aufgrund der Beteiligung eines Landgerichts aus einem anderen Oberlandesgerichtsbezirk an dem Zuständigkeitsstreit das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre.
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen auch der Sache nach vor, nachdem sich die an dem negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig im Sinne der Vorschrift (vgl. zum Begriff BGH, Beschluss vom 4. Juni 1997 - XII AZR 13/97, NJW-RR 1997, 1161) für unzuständig erklärt haben.
3. Das Landgericht Berlin ist für den Rechtsstreit nach § 29 ZPO örtlich zuständig, weil in seinem Bezirk der Erfüllungsort des geltend gemachten Anspruchs liegt (a.). Es hat seine Zuständigkeit auch nicht durch den von ihm erlassene Verweisungsbeschluss verloren, weil dieser als objektiv willkürlich anzusehen ist, was seine gesetzliche Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ausnahmsweise entfallen lässt (b.).
a. Das verweisende Landgericht Berlin ist für den Rechtsstreit nach § 29 ZPO zuständig. Durch die Klageerhebung bei diesem Gericht hat der Kläger sein ihm nach § 35 ZPO zustehendes Wahlrecht verbindlich und unwiderruflich ausgeübt. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das für den Sitz der Beklagten nach §§ 12, 17 ZPO zuständige Landgericht Rostock hätte deshalb nicht erfolgen dürfen.
Der Erfüllungsort für die aus dem Rücktritt vom Kaufvertrag re...