Leitsatz (amtlich)
§ 2337 Satz 2 BGB findet auf den Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung nach § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB keine Anwendung.
Normenkette
BGB § 2271 Abs. 2 S. 2, §§ 2294, 2337 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 03.06.2010; Aktenzeichen 87 T 350/08) |
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 65 VI 157/07) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff. FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG) und begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO).
Das LG hat angenommen, die Beteiligte zu 1) sei auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 3.5.1966 (UR-Nr. 2... des Notars J. S.) befreite Vorerbin der Erblasserin. Dabei ist es rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres (ersten) Ehemanns W. W. gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB an die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) gebunden war, so dass deren Enterbung und die Bestimmung des Beteiligten zu 2) zum Erben im Testament vom 24.8.2001 (UR-Nr. 9... des Notars M. T.) sowie in späteren Testamenten grundsätzlich entsprechend § 2289 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Die Ausführungen des LG, die Erblasserin sei auch nicht gem. § 2271 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 2294, 2336 BGB berechtigt gewesen, die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) aufzuheben, sind jedoch rechtlich zu beanstanden. Das LG hat offen gelassen, ob sich die Beteiligte zu 1) des im Testament vom 24.8.2001 angegebenen Vergehens schuldig gemacht habe, das einen Entziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellen könne, weil die Erblasserin der Beteiligten zu 1) jedenfalls nachfolgend - ab August 2002 - i.S.v. § 2337 S. 2 BGB verziehen habe. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Hat der überlebende Ehegatte eine wechselbezügliche Verfügung (§ 2270 BGB) bei Vorliegen einer Verfehlung nach §§ 2294, 2333 ff. BGB in der Form des § 2336 BGB wirksam aufgehoben, wird der Widerruf durch eine nachträgliche Verzeihung i.S.v. § 2337 S. 2 BGB nicht unwirksam. Die Vorschrift gilt nur für die Entziehung des Pflichtteils nach §§ 2333 ff. BGB und nicht für die Aufhebung einer Verfügung gem. § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB (MünchKomm/Musielak, BGB, 5. Aufl., § 2271 Rz. 29; vgl. auch Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2294 Rz. 1; Staudinger/Kanzleiter, BGB, Neubearb. 2006, § 2294 Rz. 5; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2294 Rz. 4; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 513 Fn. 263 jew. zu § 2294 BGB). Weder § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB noch § 2294 BGB verweisen auf § 2337 S. 2 BGB; für eine entsprechende Anwendung besteht kein hinreichender Grund. Dem Erblasser verbleibt wie auch sonst die Möglichkeit, neu zu testieren bzw. den Widerruf gem. §§ 2253 ff. BGB zu widerrufen. Die vom LG bejahte Verzeihung nach § 2337 S. 2 BGB könnte für die Erbfolge nur erheblich sein, wenn nach dem Willen der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gem. § 2085 BGB anzunehmen wäre, dass der Erbausschluss der Beteiligten zu 1) von der Wirksamkeit der gleichzeitig verfügten Pflichtteilsentziehung abhängen sollte (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1972, 660, 662; BayObLG NJW-RR 1996, 967, 968). Dafür dürften schon im Hinblick auf die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) als langjährigem Lebensgefährten der Erblasserin keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen.
Das LG wird festzustellen haben, ob sich die Beteiligte zu 1) der im Testament vom 24.8.2001 genannten Verfehlung (§ 2336 Abs. 2 BGB) schuldig gemacht hat und ob dies nach den Umständen des Einzelfalls als Entziehungsgrund gem. § 2333 Nr. 3 BGB a.F. (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB) zu werten ist. Dabei wird es auch die Angaben des Beteiligten zu 2) im Schriftsatz vom 29.6.2010 zum geltend gemachten Vorfall vom 9. bzw. 13.11.1989 zu berücksichtigen haben, zu denen die Beteiligte zu 1) noch nicht Stellung genommen hat.
Fundstellen
NWB 2011, 866 |
FamRZ 2011, 681 |
FGPrax 2011, 82 |
ZAP 2011, 552 |
ZEV 2011, 266 |
ErbBstg 2011, 10 |
Rpfleger 2011, 86 |
ErbR 2011, 59 |
NWB direkt 2011, 264 |
RENOpraxis 2011, 178 |