Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen, so kann eine Entscheidung über die Kosten gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nur dann ergehen, wenn ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden ist, die Klage also – ggf. nachträglich – zugestellt worden ist.
2. Der Beschluss, durch den der Richter einer sofortigen Beschwerde nicht abhilft und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegt, ist unanfechtbar. Die somit nicht statthafte sofortige Beschwerde gegen einen solchen Beschluss ist nicht selbstständig als unzulässig zu verwerfen, solange eine Entscheidung über das Ausgangsrechtsmittel noch möglich ist, da dann von einem einheitlichen Rechtsmittel auszugehen ist.
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3, § 567
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 36 O 57/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers werden der Beschluss der Zivilkammer 36 des LG Berlin vom 4.10.2002 aufgehoben und der Antrag der Beklagten vom 13.6.2002 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von bis zu 9.000 Euro zu tragen.
Gründe
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung einer vormerkungswidrigen Sicherungshypothek. Nach Klageeinreichung bewilligte die Beklagte die Löschung des Grundpfandrechts. Die Sicherungshypothek wurde daraufhin im Grundbuch gelöscht. Der Kläger zahlte den Gerichtskostenvorschuss nicht mehr ein, sondern nahm die Klage zurück. Auf Antrag der Beklagten hat das LG dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe nicht zur Klageerhebung Anlass gegeben. Der Unselbstständige Hilfsanspruch gem. § 888 BGB könne nicht vor dem durch die Vormerkung gesicherten Anspruch fällig werden, so dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, auf die vorangegangene Aufforderung des Klägers ihren Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek zurückzunehmen. Nach Eintritt der Fälligkeit des gesicherten Anspruchs habe der Kläger die Beklagte nicht (erneut) aufgefordert, der begehrten Löschung zuzustimmen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das LG nicht abgeholfen hat.
Die gem. § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 572 Abs. 1 S. 1, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.Ü. zulässig. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Für eine Kostenentscheidung ist bereits mangels Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses kein Raum.
Gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Rücknahme einer Klage i.S.v. § 269 ZPO ist indes nur möglich in der Zeitspanne zwischen Rechtshängigkeit und Rechtskraft. Nur eine schon durch Zustellung erhobene Klage kann mit einer Kostenfolge zurückgenommen werden. Gleiches gilt für eine Rücknahme nach Einreichung, aber vor der dann noch vorgenommenen Zustellung oder nach nicht ordnungsgemäßer Zustellung, wenn der Zustellungsmangel geheilt wurde. Voraussetzung ist stets, dass ein Prozessrechtsverhältnis begründet wurde, anderenfalls es an einem Rechtsstreit mangelt, über dessen Kosten zu befinden ist (Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 269 Rz. 39; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rz. 7; Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 269 Rz. 14; OLG Karlsruhe v. 17.3.1986 – 18 WF 5/86, NJW-RR 1986, 1013; missverständlich Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rz. 8a). Daran fehlt es hier. Die Klage wurde mangels Zahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht zugestellt. Im Rahmen des Streits um die Kostentragungspflicht hat das LG der Beklagten ausdrücklich nur die einfache Abschrift der Klage zur Information übermittelt. Der Kläger hat daher lediglich sein Rechtsschutzverlangen zurückgenommen.
An dieser Rechtslage hat die durch die Zivilprozessreform in das Gesetz eingefügte Bestimmung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nichts geändert. Auch hier ist die – ggf. spätere – Zustellung der Klage erforderlich. Die Vorschrift knüpft als Ausnahme an den in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelten Grundfall der Kostentragungspflicht an und hat damit ebenfalls die Kosten des Rechtsstreits zum Gegenstand. Der Gesetzgeber hat nur den Fall regeln wollen, dass eine Klage rechtshängig wird, der Anlass zu ihrer Einreichung aber vor Eintritt der Rechtshängigkeit weggefallen ist. Dies ergibt sich insb. aus der amtlichen Begründung, in der die für diese Fallgestaltung bislang maßgebliche Rechtslage aufgezeigt und ausdrücklich als unbefriedigend bezeichnet wird (BT-Drucks. 14/4722, 81). Liegt sonach schon keine (unbewusste) Gesetzeslücke vor, ist für eine Analogie kein Raum (so aber Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rz. 13).
Bei dieser Sachlage bedürfen die von dem LG aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen keiner Beantwortung mehr.
Der ...