Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der im Inland belegenen Ehewohnung untersteht auch bei einer beiderseitigen ausländischen Staatsangehörigkeit der geschiedenen Ehegatten dem deutschen Sachrecht.
2. In Fällen, in denen keiner der beiden Ehegatten geltend macht, die Ehewohnung sei ihm allein zu überlassen, damit er sie mit dem gemeinsamen Kind nutzen kann, hat die Zuweisung der Ehewohnung auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung nach Billigkeitsgründen zu erfolgen, bei der die Ehewohnung demjenigen Ehegatten zuzuweisen ist, der nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte in stärkerem Maße auf sie angewiesen ist.
3. Bei dieser Abwägung können u.a. die jeweiligen aktuellen Wohnverhältnisse der geschiedenen Ehegatten; ihre jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse; die Möglichkeit, sich mit den eigenen, vorhandenen Mitteln auf einem in den Metropolregionen stark angespannten Wohnungsmarkt neuen Wohnraum zu verschaffen; die Vermutung der Aufgabe des Nutzungsrechts gemäß § 1361b Abs. 4 BGB; die Tatsache, dass ein Ehegatte im Schichtdienst arbeitet, über kein eigenes Fahrzeug verfügt und die Ehewohnung (noch) in fußläufiger Entfernung zu dessen Arbeitsplatz liegt sowie der Umstand berücksichtigt werden, dass ein Ehegatte auf die Ehewohnung als Ort angewiesen ist, um dort den Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu pflegen. Der Tatsache, dass ein Ehegatte der alleinige Mieter der Ehewohnung ist, kommt dagegen in der Regel kein entscheidendes Gewicht zu.
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 200 F 5512/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Ausspruch zur Überlassung der Ehewohnung in dem am 28. Juni 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Pankow - 200 F 5512/21 - in der Fassung des am 7. Juli 2023 in dieser Sache erlassenen Berichtigungsbeschlusses wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Entscheidung des Familiengerichts in dem Scheidungsverbundbeschluss vom 28. Juni 2023, mit dem die in der K.straße ... in ... B. belegene Ehewohnung der Antragsgegnerin überlassen wurde.
Zur Begründung der Entscheidung hat das Familiengericht ausgeführt, auch wenn die gemeinsame Tochter der Beteiligten - die heute knapp über 12 Jahre alte N. - seit längerer Zeit bereits im Haushalt des Antragstellers lebe, überwögen dennoch die Interessen der Antragsgegnerin an der Belassung der Wohnung das Interesse des Antragstellers, dass die von ihm allein angemietete Ehewohnung, aus der er im August 2020 ausgezogen sei, erneut ihm wieder zur Nutzung überlassen werde. Denn der Antragsteller sei mit der Tochter von B. nach E. gezogen, wo das Kind die Schule besuche, und zusätzlich sei der Antragsteller Eigentümer eines Grundstücks in F., das von ihm derzeit mit einem Wohnhaus bebaut werde. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin sich die Wohnung erhalten wolle, um einen Platz zu haben, an dem sie den Umgang mit der gemeinsamen Tochter ausüben könne.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er meint, die Wohnung sei ihm zu überlassen. Denn er sei - unstreitig - der Mieter der Wohnung. Er arbeite in unmittelbarer Nähe der Wohnung für den Sicherheitsdienst eines großen Einkaufszentrums. Ursprünglich, im Zuge seines Auszuges aus der Ehewohnung im August 2020, sei zwischen ihm und der Antragsgegnerin abgesprochen gewesen, dass sie - die Antragsgegnerin - sich eine neue, eigene Wohnung suchen werde. Seine eigene Wohnsituation sei im Ergebnis unzumutbar: Zwar wohne seine eigene Mutter ebenfalls in geringer Entfernung zu seinem Arbeitsplatz, aber die Wohnung der Mutter sei sehr klein. Am Wohnsitz seiner neuen Lebensgefährtin in E., wo er und das gemeinsame Kind aktuell lebten, könne er sich nicht anmelden, weil die Wohnung der Lebensgefährtin "WBS berechtigt" sei. Der Umzug nach F. solle sich "auf unbekannt" verzögern.
Der Vermieter wurde angeschrieben; er hat erklärt, auf eine Stellungnahme zum Verfahren zu verzichten.
Das Jugendamt wurde beteiligt und hat unter dem 24. August 2023 berichtet.
Der Senat hat zu Informationszwecken die Akte des Verfahrens zur Regelung des Umgangs zwischen N. und ihrer Mutter (Amtsgericht Pankow 200 F 525/23) beigezogen. Den Beteiligten wurde am 28. Juli 2023 ein Hinweis erteilt. Mit Schreiben vom 1. September 2023 wurden weitere Hinweise erteilt und den Beteiligten eine Frist zum abschließenden, schriftlichen Vortrag gesetzt.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers (§§ 58, 64ff. FamFG) ist nicht begründet:
1. a) Zwar liegt, auch wenn die streitbefangene Ehewohnung im Inland belegen ist, aufgrund der ukrainischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers und der russischen Staatsangehörigkeit der Antragsgegnerin ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (Art. 3 EGBGB). Dennoch hat das Familiengericht im Ergebnis zu Recht deutsches Sachrecht angewandt:
b) Das ergibt sich zwar noch nicht aus der EüGVO, der europä...