Leitsatz (amtlich)
1. Der Berufungsbeklagte, der bereits vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine Anschlussberufung einlegt, ohne diese seinerseits zu begründen, hat nach einer Berufungsrücknahme die Kosten des Rechtsstreits anteilig nach dem Wert der Anschlussberufung zu tragen. Dies folgt bereits daraus, dass es bis zur Berufungsrücknahme mangels Begründung gem. § 524 Abs. 3 ZPO an einer zulässigen Anschlussberufung fehlte (wie OLG Köln NJW 2003, 1879).
2. Ob die Kostentragungspflicht des Anschlussberufungsklägers auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegende Verpflichtung, die Kosten möglichst niedrig zu halten, daraus folgt, dass er sich mit dieser voreilig unter Erhöhung des Streitwerts der Berufungsinstanz am Verfahren beteiligt, obwohl die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt war, ein Berufungsantrag noch nicht gestellt und die Berufung noch nicht begründet worden war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 498/13) |
Tenor
Die Zurücknahme der Berufung hat für die Beklagte den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Berufungsstreitwert wird auf 15.766,43 EUR festgesetzt.
Gründe
1) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 516 Abs. 3, 92 Abs. 1 ZPO.
Zwar hat der Berufungskläger gem. § 516 Abs. 3 ZPO grundsätzlich auch die Kosten der durch eine Berufungsrücknahme gem. § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu tragen. Denn die Anschlussberufung ist kein eigenständiges Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels (s. BGH, Beschl. v. 7.2.2007 - XII ZB 175/06, NJW-RR 2007, 786 Tz 7; Beschl. v. 26.1.2005 - XII ZB 163/04,NJW-RR 2005, 727, bei Juris Tz 5). Die durch den Anschluss verursachten Mehrkosten stellen in einem weiteren Sinne durch das Rechtsmittel entstandene Kosten dar (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.1951 -GSZ 2/51, BGHZ 4, 229, 239, bei Juris Tz 14).
Die Kostentragungspflicht des Berufungsklägers nach § 516 Abs. 3 ZPO erstreckt sich jedoch nicht auf die Kosten der Anschlussberufung, wenn diese unzulässig ist, so dass in diesem Fall eine Quotelung vorzunehmen ist (s. BGH NJW-RR 2007, 786 Tz 8; BGH NJW-RR 2005, 727; BGHZ 4, 229, 240; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 524 Rz. 43).
So liegt es hier. Die innerhalb der laufenden Berufungsbegründungsfrist eingelegte Anschlussberufung war unzulässig, da es an einer Anschlussberufungsbegründung fehlte. Nach § 524 Abs. 3 ZPO muss die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet werden. Anders als für die Berufung, bei der eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO) laufen, verlangt das Gesetz für die Anschlussberufung eine Begründung "in der Anschlussschrift selbst" (so BGH, Beschl. v. 30.4.2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Dahin stehen kann, ob eine einschränkende Auslegung des § 524 Abs. 3 ZPO dahin vorzunehmen ist, dass die Nachreichung der Begründung innerhalb der Frist zur Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) genügt. Denn auch das würde nichts daran ändern, dass bis zu dieser Nachreichung eine zulässige Anschlussberufung (noch) nicht vorliegt, gleich, ob man ihr sodann eine Wirkung nur für die Zukunft oder eine Rückwirkung beimessen wollte. Die entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht formgerecht begründete Anschlussberufung ist daher auch dann unzulässig, wenn sie vor Eingang der Berufungsbegründung eingelegt worden ist und es zu einer Begründung wegen Rücknahme der Berufung vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr kommt. Wartet der Berufungsbeklagte die Berufungsbegründung nicht ab, bevor er sich anschließt, und begründet er die Anschlussberufung nicht sogleich, so hat er das darin liegende Risiko zu tragen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 17.1.2003 - 5 U 5/03, NJW 2003, 1879; LG Bonn, Beschl. v. 30.10.2006 -8 S 101/06, bei Juris).
Da eine Quotelung der Kosten bereits wegen Unzulässigkeit der Anschlussberufung vorzunehmen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das gleiche Ergebnis auch daraus folgt, dass die Klägerin sich etwa "voreilig" unter Erhöhung des Streitwerts des Berufungsverfahrens mit der Anschlussberufung am Verfahren beteiligt hat, obwohl die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt war, ein Berufungsantrag noch nicht gestellt und das Rechtsmittel noch nicht begründet worden war. Es liegt nahe, in diesem Verhalten einen Verstoß gegen die auf Grund des Prozessrechtsverhältnisses obliegende Verpflichtung, die Kosten möglichst niedrig zu halten, zu sehen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, NJW 2003, 2992 unter II. 2.; Beschl. v. 1.4.2009 - XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220 Tz 8 f.; Beschl. v. 3.7.2007 - VI ZB 21/06, NJW 2007, 33723 Tz 7, jeweils zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3200 bei unter diesen Umständen verfrühter Stellung eines Berufungszurück-weisungsantrags), und dies bei der Kostenentsc...