Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr nach dem RVG bei der Mitwirkung eines Anwalts beim Zustandekommen eines schriftlichen Vergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mitwirkung des Rechtsanwalts am Zustandekommen eines schriftlichen Vergleichsabschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO löst eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 RVG-VV aus.

 

Normenkette

ZPO § 278 Abs. 6; RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 09.02.2005; Aktenzeichen 2 O 563/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 10.3.2005 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 9.2.2005 - 2 O 563/04 - aufgehoben. Die erneute Entscheidung über die Kostenausgleichsanträge der Parteien vom 31.1. und 3.2.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats sowie unter Einbeziehung des "Nachfestsetzungsantrages" der Klägerin vom 4.3.2005 wird dem LG Berlin übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Beschwerdewert i.H.v. 324,73 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat mit ihrer Klage ursprünglich Zahlung i.H.v. 35.058,91 EUR wegen erbrachter Dienstleistungen geltend gemacht.

Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten dem Gericht u.a. schriftsätzlich mitgeteilt, dass die Beklagten anbieten, den Rechtsstreit vergleichsweise durch Zahlung eines Betrages i.H.v. 25.000 EUR zu erledigen. Die Klägerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigten dem Gericht ggü. die Bereitschaft zur Annahme des Vergleichsangebots bekundet. Den daraufhin seitens des Gerichts gem. § 278 Abs. 6 ZPO unterbreiteten Vergleichsvorschlag haben beide Parteien angenommen. Das Gericht hat das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss festgestellt.

Mit Kostenausgleichsantrag vom 31.1.2005 hatten die Beklagten u.a. die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV beantragt. Das LG Berlin hat die Festsetzung dieser Gebühr mit Beschl. v. 9.2.2005 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie sind der Auffassung, dass eine Terminsgebühr auch bei einem schriftlichen Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO anfalle, ohne dass es auf die Anordnung eines schriftlichen Verfahrens nach § 128 Abs. 2 ZPO ankomme.

II. Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.

Die Frage, ob bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO für den Rechtsanwalt eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 RVG-VV anfällt, ist umstritten.

Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass für die Mitwirkung des Rechtsanwalts am Zustandekommen eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, immer auch eine Terminsgebühr anfalle (OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.6.2005 - 8 W 180/05, Juris; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 27; Gerold/Schmidt, RVG-VV, 16. Aufl. Nr. 3104 Rz. 58, 69; Schons, AGS 2005, 145; Henke, AnwBl. 2004, 594).

Nach anderer Meinung löst ein schriftlicher Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nicht aus (vgl. BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311; OLG Nürnberg AnwBl. 2005, 222; v. 15.12.2004 - 3 W 4006/04, OLGReport Nürnberg 2005, 179 = MDR 2005, 599 = NJW-RR 2005, 655; OLG Naumburg, Beschl. v. 1.8.2005 - 12 W 78/05, Juris) bzw. nur dann, wenn er in einem Verfahren ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung zustande kommt (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., Nr. 3104 RVG-VV Rz. 30).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für sie spricht bereits der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV, nach der "in einem Verfahren, für das (an sich) mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist" (z.B. § 128 Abs. 1 ZPO), die Terminsgebühr ausnahmsweise auch dann entsteht, wenn eine mündliche Verhandlung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Die hierzu zählenden Ausnahmefälle sind in der Vorschrift im Einzelnen alternativ aufgeführt. Es handelt sich zum einen um drei Fälle, in denen abweichend von der Regel ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde (§§ 128 Abs. 2, 307 Abs. 2, 495a ZPO) zum anderen um den Fall, in dem ohne mündliche Verhandlung ein schriftlicher Vergleich (z.B. nach § 278 Abs. 6 ZPO) zustandegekommen ist ("entschieden oder ... Vergleich geschlossen"). Der schriftliche Vergleich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die gleichwertige Alternative zur Entscheidung. Er bringt also - ebenso wie bei der Entscheidung des Gerichts - die Terminsgebühr zum Entstehen in all den Verfahren ("in einem solchen Verfahren"), in denen bei einer Entscheidung die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 RVG-VV oder nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1., 1. bis 3. Altern. RVG-VV anfällt.

Die hier vertretene Auffassung trägt überdies der Intention des Gesetzgebers Rechnung, die vergleichsweise Einigung in einem möglichst frühen Verfahrensstadium zu fördern und zu honorieren und d...

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