Leitsatz (amtlich)
Eine in einem Mietvertrag über ein in einem Einkaufszentrum belegenes Ladengeschäft enthaltene Klausel mit dem Inhalt:
"Zeitweise Schließungen (z.B. aus Anlass von Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren) sind nicht zulässig"
ist wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn der Mieter hierdurch an der Durchführung der ihm vertraglich auferlegten Schönheitsreparaturen gehindert wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.07.2008; Aktenzeichen 105 O 23/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.7.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 105 des LG Berlin abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die unter 10.2 Satz 6 der Allgemeinen Bedingungen des Mietvertrages über ein Ladengeschäft, 119 qm, im S. in B. enthaltene Regelung mit folgendem Inhalt:
"Zeitweise Schließungen (z.B. aus Anlass von Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren) sind nicht zulässig."
unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 23.7.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 105 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das LG habe sich mit der Frage der Wirksamkeit der konkreten Betriebspflicht im Einzelfall nicht auseinandergesetzt. Es habe in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Umstand, dass die Regelung auch Schließungen aus Anlass von Betriebsferien, Inventuren usw. nicht zulasse, keine unangemessene Benachteiligung bedeute, ohne aber diese Bewertung zu erörtern.
Das LG verkenne, dass es in der Rechtsprechung und Literatur sehr wohl andere Auffassungen gebe, die anders als die Auffassung des LG auch begründet seien.
Die Klägerin beantragt, das am 23.7.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 105 des LG Berlin abzuändern und festzustellen, dass § 10.1 und 10.2 der allgemeinen Bedingungen des die Parteien verbindenden Mietvertrages über ein Ladengeschäft, 119 qm, im S. in B. unwirksam ist,
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
§ 10.1 und § 10.2 der Allgemeinen Bedingungen des Mietvertrages seien wirksam. Insbesondere hielten diese Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand, da diese Bestimmungen die Klägerin nicht entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Die Mieter eines Einkaufszentrums bildeten untereinander eine "Schicksalsgemeinschaft". Zum Wesen eines Einkaufszentrums gehöre es, dass alle Mieter ihre Läden während derselben Öffnungszeiten ununterbrochen geöffnet hätten. Hieran habe nicht nur der Vermieter, sondern auch die Gesamtheit der Mieter ein schutzwürdiges Interesse. Das Interesse des einzelnen Mieters, sein Ladengeschäft in einem Einkaufszentrum zwecks Betriebsferien, branchenüblichen Ruhetagen, Inventur oder Durchführung erforderlicher Schönheitsreparaturen etc. vorübergehend zu schließen, müsse hinter die Interessen der Gesamtheit der Mieter und den Interessen des Vermieters zurücktreten. Zudem sei die Betriebspflicht keine höchstpersönliche Pflicht.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Zulässigkeit der Feststellungsklage
Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere liegt ein rechtliches Interesse i.S.v. § 256 ZPO vor.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihres rechtlichen Interesses vor, dass sie eine fristlose Kündigung riskiere, wenn sie der Betriebspflicht nicht folge. Sie trägt auch vor, dass sie sich für berechtigt halte, die Einstellung des Betriebes als zulässige unternehmerische Option für sich offen zu halten, bis die Beklagte Vollbetrieb hergestellt habe. Das heißt, die Klägerin will geklärt wissen, ob sie an die in § 10 des Vertrages geregelte Betriebspflicht gebunden ist, obgleich sie gar nicht die konkrete Absicht hat, sich über die Betriebspflicht hinwegzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 2499; NJW 1992, 436), der sich der Senat anschließt, ist von einem rechtlichen Interesse auszugehen, wenn der Gegner sich auf die Wirksamkeit einer Vertragsbedingung beruft und sich damit eines Anspruchs gegen die klagende Partei berühmt. Darauf, ob der Gegner einen bereits durchsetzbaren Anspruch geltend macht, soll es nicht ankommen. Vorliegend hat sich die Beklagte ...