Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsanspruch
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 05.11.1974; Aktenzeichen 5 O 416/73) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. November 1974 verkündete Urteil der Zivilkammer des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die jetzt 88jährige Klägerin ist die Mutter der am 29. April 1973 verstorbenen Erblasserin … die den Beklagten, ihren Pflegesohn, durch notarielles Testament vom 21. Februar 1973 (Urkundenrolle Nr. 59/1973 des Notars Dr. …) zum Alleinerben eingesetzt hat. Die Klägerin begehrt mit ihrer Stufenklage zunächst 17.221,30 DM als Teil ihrer Pflichtteilsanspruches und Auskunft. Sie hat aufgrund der Auskunft des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vom 12. September 1973 einen Aktivnachlaß im Werte von 34.442,60 DM behauptet und hieraus ihren Anspruch zu 1/2 berechnet. Sie hat weiterhin behauptet, die genannte Nachlaßaufstellung sei unvollständig. Zum Nachlaß gehörten weiterhin u.a. ein Nerzmantel, ein Nerzcape, ein Brillantring und eine komplett eingerichtete Dreizimmerwohnung in Gubio/Italien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- an sie 17.221,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. April 1973 zu zahlen.
- über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin Auskunft zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, die Klägerin habe nach dem Erbfall ihm gegenüber wirksam auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet, indem sie nach der Unterrichtung über die Rechtslage erklärt habe, sie wolle aus dem Nachlaß der Erblasserin nur einige Kleidungsstücke, Schuhe und Kleinigkeiten aus der Wohnung zum Andenken haben. Er habe sich damit einverstanden erklärt. Die Klägerin hat diese Behauptungen des Beklagten bestritten.
Der Beklagte hat bestritten, daß sich die von der Klägerin genannten Gegenstände im Nachlaß befunden hätten und geltend gemacht, daß die durch seinen Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 12. September 1973 gegebene Auskunft richtig und vollständig gewesen sei.
Das Landgericht hat gemäß seinem Beweisbeschluß vom 16. April 1974 Beweis über den behaupteten Pflichtteilsverzicht erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 4. Juli 1974 verwiesen. Mit seinem Urteil vom 5. November 1974 hat das Landgericht Berlin die Klage abgewiesen, weil erwiesen sei, daß die Klägerin wirksam auf ihren Pflichtteilsanspruch durch Erlaßvertrag verzichtet habe. Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses am 13. Januar 1975 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Januar 1975 Berufung eingelegt und sie am 18. Februar 1975 begründet. Die Klägerin bestreitet nach wie vor den Abschluß eines Erlaßvertrages und hält die Beweiswürdigung des Landgerichts hierzu für lebensfremd. Sie behauptet weiterhin, ihre Erklärungen seien, falls sie solche abgegeben habe, belanglos und nicht ernsthaft gemeint gewesen, weil ihr jede Erkenntnis über die Rechts- und Anspruchsgrundlage und über den Wert des Nachlasses gefehlt habe. Von einem Erklärungswillen könne keine Rede sein. Sie sei am Beerdigungstage mit der Verlesung des noch nicht eröffneten Testaments der Erblasserin geradezu überfallen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze verwiesen. Die Akten 63 IV 208/73 des Amtsgerichts Charlottenburg lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Sie hat keinen Erfolg. Das Landgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin auf ihren Pflichtteilsanspruch durch Vertrag verzichtet hat.
Als rechtswirksam durch das notarielle Testament vom 21. Februar 1973 enterbter Mutter der Erblasserin war der Klägerin mit dem Tode ihrer Tochter ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/2 erwachsen (§§ 2303 Abs. 2, 1925 BGB). Auf diesen bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch hat die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, durch Vertrag nach § 397 Abs. 1 BGB verzichtet. Dieser vertragliche Verzicht bedurfte keiner besonderen Form (Palandt, BGB, 34. Aufl., § 2317 Anm. 1 d; RG JW 28, 907; KG OLGZ 1974, 263). Die Formvorschrift des § 2348 BGB erfaßt nur den Verzicht auf das Pflichtteilerecht vor dem Erbfall, nicht den Vertrag über den bereits entstandenen Pflichtteilanspruch (vgl. dazu Staudinger, BGB, 10./11. Aufl., § 2317 Anm. 25).
Der Beklagte hat durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen … und … bewiesen, daß die Klägerin am Tage der Trauerfeier für die Erblasserin Anfang Mai 1973 nach dem Vorlesen des Testaments sowohl um 1...