Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kaufvertrag über Miteigentum an einem Grundstück bildet eine rechtliche Einheit mit einem Begleitvertrag über Bau- oder Baubetreuungsleistungen, wenn diese Leistungen durch einen mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmer auf dem Grundstück erbracht werden sollen. Daher sind beide Verträge gemäß § 311b Abs. 1 S. 1 BGB notariell zu beurkunden.
2. Ist der Kaufvertrag notariell beurkundet, der Begleitvertrag hingegen nicht, sind im Zweifel beide Verträge nichtig.
3. Auch wenn der Verkäufer bzw. der mit ihm verbundene Unternehmer dieses Vertragsmodell konzipiert hat, kann sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Nichtigkeit berufen, wenn der Notar den Kaufvertrag ohne konkreten Hinweis auf das Risiko beurkundet hat.
4. Den Rückgewähranspruch des Verkäufers hat der Käufer nur Zug um Zug gegen Rückgewähr derjenigen Leistungen zu erfüllen, die er sowohl auf den Kaufvertrag als auch auf den Begleitvertrag erbracht hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 22 O 152/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2019 unter Aufhebung der Kostenentscheidung wie folgt geändert:
1. (Ziff. 1 des dortigen Tenors):
Die Beklagte wird Zug um Zug gegen Zahlung von 196.000,00 EUR verurteilt, im Grundbuch von Tegel des Amtsgerichts Mitte, Blatt x, die Löschung der folgenden Eintragung zu bewilligen:
Abt. II, lfd. Nr. 7, Vormerkung zu Gunsten der Beklagten zum Erwerb eines Miteigentumsanteils von 20/100.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. (Ziff. 2 des dortigen Tenors):
Der Widerklageantrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 7. September 2017 (dort S. 18 f) wird abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.
V. Punkt IV. ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund von Punkt IV. gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über Miteigentum an einem Grundstück.
Der Kläger ist Eigentümer mehrerer benachbarter Grundstücke in Berlin-Tegel, unter anderem:
- Grundstück x-Straße 18 (Flur 1, Flurstück x, im Folgenden: "Grundstück 1") sowie
- Grundstück x-Straße 31 H / 31 J / X 30 / 32 (Flur 1, Flurstück x, im Folgenden: "Grundstück 2").
Das Grundstück 2 wird im Grundbuch von Tegel des Amtsgerichts Mitte in Berlin auf Blatt X geführt.
Der Kläger und sein Vater A. H. planten, diese Grundstücke mit Mehrfamilienhäusern zu bebauen, Miteigentum an den Grundstücken zu verkaufen und letzten Endes Wohneigentum an den einzelnen Wohnungen zu bilden. Dazu bedienten sie sich auch der T. GmbH und traten unter dem Namen Ingenieurbüro H. & Partner auf.
Im Jahr 2014 wollte die Beklagte eine solche Wohnung erwerben, zunächst auf dem Grundstück 1.
Dazu schloss sie am 5. Mai 2014 einen privatschriftlichen Vertrag mit der T. GmbH, in dem diese sich zu Planung und Bauüberwachung bezogen auf die Errichtung einer Wohnung auf dem Grundstück 1 zu einem Gesamtpreis von 240.000,00 EUR verpflichtete (im Folgenden: "Baubetreuungsvertrag"). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Am 12. Mai 2014 kaufte die Beklagte vom Kläger, dieser vertreten durch A. H., durch notariellen Vertrag, beurkundet durch den Notar H. in Berlin (UR-Nr. x) einen Miteigentumsanteil von 20/100 an dem Grundstück 1 zum Kaufpreis von 10.000,00 EUR (im Folgenden: "Kaufvertrag 1"). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Sodann kamen die Parteien überein, dass die Beklagte statt der Wohnung auf dem Grundstück 1 eine solche auf dem Grundstück 2 erwerben sollte.
Deshalb schlossen die Parteien am 14. Juli 2014 zwei von dem Notar H. beurkundete Verträge:
Mit einem Vertrag (UR-Nr. x) hoben sie den Kaufvertrag 1 wieder auf.
Mit dem anderen Vertrag (UR-Nr. x) verkaufte der Kläger der Beklagten einen Miteigentumsanteil von 20/100 an dem Grundstück 2 zum Kaufpreis von 20.000,00 EUR (im Folgenden: "Kaufvertrag 2").
Der Kaufvertrag 2 enthielt unter anderem die folgenden Regelungen:
Der Kaufpreis sollte bis zum 31. August 2014 auf ein Anderkonto des Notars H. geleistet werden (§ 3). Die Vertragsparteien einigten sich über den Übergang des Miteigentums an die Beklagte (§ 7). Der Kläger bewilligte der Beklagten die Eintragung einer Vormerkung für den Erwerb ihres Miteigentumsanteils (§ 8) und erteilte ihr eine Belastungsvollmacht (§ 13).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Die Beklagte leistete eine Zahlung von 20.000,00 EUR, die spätestens am 2. September 2014 auf dem Anderkonto des Notars einging. Unter Hinweis auf angebliche Gebührenansprüche hat der Notar den Betrag bis zum heutigen Tage nicht, auch ni...