Leitsatz (amtlich)
Vom Träger der Verkehrssicherungspflicht sind nur diejenigen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren möglichst abzuwenden.
Fußgänger müssen sich darauf einstellen, dass Gehwege im Bereich von Laubbäumen beim Abfall von Blättern und ggf. hinzukommendem Regenwasser stets eine gewisse Rutschgefahr aufweisen
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.04.2004; Aktenzeichen 13 O 192/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.4.2004 verkündete Urteil des LG Berlin - 13 O 192/03 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten in dem vorliegenden Rechtsstreit Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle zukünftig noch eintretenden materiellen Schäden aus einem Unfall vom 29.10.2002. An diesem Tage stürzte die Klägerin auf der B-straße in Höhe der Hausnummer 8 in Berlin. Sie erlitt einen Oberschenkelhalsbruch links und einen Bruch des rechten Handgelenks.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihrer Straßenreinigungspflicht nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen, insb. sei im Bereich der B- straße wochenlang das Laub nicht entfernt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des widerstreitenden Parteivorbringens erster Instanz und der daraufhin überwiegend der Klage stattgebenden Entscheidung des LG wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Sie rügt, dass sich das Berufungsgericht in Widerspruch zur ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt habe, indem es der Beklagten auferlege, dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend die Straßenreinigung durchzuführen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 15.4.2004 verkündeten Urteils des LG Berlin - 13 O 192/03 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihre Behauptung, Ursache des Sturzes seien auf dem Gehweg befindliche Laubhaufen gewesen.
Zur Vervollständigung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insb. den Form- und Fristvorschriften entsprechende Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das LG hat zu Unrecht eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Straßenreinigungspflicht als Ursache des Sturzes der Klägerin bejaht.
1. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch kann allein aus den Vorschriften über die Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) hergeleitet werden. Die Pflicht zur Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte sowie der Beseitigung von Laub auf öffentlichen Straßen und Gehwegen obliegt dem Land Berlin als hoheitliche Aufgabe (§ 4 Abs. 1 S. 1 StrReinG) und wird von der Beklagten hoheitlich durchgeführt (§ 4 Abs. 1 S. 4 StrReinG).
a) Der Umfang der auf Straßen und Gehwegen erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte sowie der Beseitigung von Laub ergibt sich, soweit die Beklagte reinigungspflichtig ist, gem. § 2 Abs. 4 StrReinG aus einem Straßenreinigungsverzeichnis und Reinigungsklassen. Die B-straße 8 wird im Straßenverzeichnis A des Stadtbezirks Steglitz in der Reinigungsklasse 4 geführt. Der Senat von Berlin hat dazu verordnet, dass die Straßen der Reinigungsklasse 4 in einem Reinigungsturnus von einmal wöchentlich gereinigt werden müssen (Verordnung über die Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung der Reinigungsklassen, GVBl. 41. Jahrgang Nr. 51 v. 15.8.1985, S. 1794). Wie die Beklagte zutreffend ausführt, erfolgt die Eingruppierung der Straßen durch den Senat nach entsprechender Zuarbeit einer Straßeneingruppierungskommission, die die Straßen alle zwei Jahre bewertet, wobei dieser Bewertung eine ständige Beobachtung der Straßen vorhergeht.
b) Der Senat geht auf Grund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass wegen herabgefallener Blätter der Gehweg an der Sturzstelle rutschig gewesen sein kann. Dies stellt aber entgegen der Auffassung des LG keine besondere, die Beklagte zu Maßnahmen veranlassende Gefahrenstelle dar, da Gehwege im Bereich von Laubbäumen beim Abfall von Blättern und ggf. hinzukommendem Regenwasser stets eine gewisse Rutschgefahr aufweisen, auf die sich Fußgänger einstellen müssen. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar, so dass vom Träger der Verkehrssicherungspflicht nur diejenigen Ma...