Leitsatz (amtlich)

Übertragung der auf Auffahrunfälle auf Autobahnen bezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10 -; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16) auf den mehrspurigen innerstädtischen Verkehr

Kein Anscheinsbeweis auch bei feststehendem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eines Fahrspurwechsels mit dem anschließenden Auffahrunfall

Zurechnungszusammenhang eines Verstoßes gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S.5 oder S. 7 StVO bei einem Auffahrunfall

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.03.2021; Aktenzeichen 45 O 110/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. März 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 45 O 110/20 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert und wie folgt neu gefasst :

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.423,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2020 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 50 % des Schadens zu ersetzen, der ihm durch Rückstufung im Schadensfreiheitsrabatt seiner Vollkaskoversicherung bei der ADAC Autoversicherung zur Schaden-Nr. xxx durch Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung aufgrund des Verkehrsunfalles vom xxx in Berlin-Spandau, xxx Straße, entsteht.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 413,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben die Beklagten 34 % und der Kläger 66 % zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz haben die Beklagten 54 % und der Kläger 46 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Weise leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom xxx in Anspruch, der sich auf der Straße xxx in Berlin xxx vor der Einmündung xxx ereignete. Dort hielt der Kläger, der zuvor vom mittleren in den linken Fahrstreifen der insgesamt dreispurigen Richtungsfahrbahn gewechselt war, vor einer roten Ampel und das vom Beklagten zu 1. gesteuerte, bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherte Fahrzeug fuhr von hinten auf das klägerische Fahrzeug auf.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Diese werden wie folgt ergänzt :

Der bei dem Unfall beschädigte PKW des Klägers wurde vor dem Unfall regelmäßig vom Kläger und seiner Ehefrau genutzt. Er stellt das einzige Fahrzeug der Familie dar.

Das Landgericht hat der zuletzt auf Zahlung eines Schadensersatzes von insgesamt 1.896,00 EUR (500,00 EUR dem Kläger verbleibende Selbstbeteiligung in seiner Vollkaskoversicherung, 550,00 EUR an seinem Fahrzeug eingetretene Wertminderung, 826,00 EUR Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage und 20,00 EUR Unkostenpauschale) sowie 743,51 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Feststellung einer 100 %igen Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich des dem Kläger aus der Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung resultierenden Rückstufungsschadens gerichteten Klage in Höhe eines Schadensersatzbetrages von 553,80 EUR (30 % des geltend gemachten Sachschadens, wobei die Wertminderung nur in Höhe von insoweit unstreitig gestellten 500,00 EUR berücksichtigt ist), 349,03 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie hinsichtlich der Feststellung einer 30 %igen Ersatzverpflichtung der Beklagten für einen Rückstufungsschaden des Klägers stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, der Kläger sei entsprechend der Vermutungsregel des § 1006 BGB Eigentümer des von ihm zum Unfallzeitpunkt gefahrenen Fahrzeuges.

Ihm stünden gemäß §§ 7 Abs. 1, 17,18 StVG, 249, 823 BGB i.V.m. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG Ansprüche gegen die Beklagten wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles zu, allerdings nur in Höhe einer Haftungsquote von 30 %.

Gegen den Kläger spreche ein Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO, während ein solcher gegen den auffahrenden Beklagten zu 1. entkräftet sei.

Die Kollision habe sich in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des Klägers ereignet, da nach den Angaben beider Parteien und des Zeugen xxx feststehe, dass der Kläger erst einige Augenblicke - etwa 5 Sekunden - vor dem Auffahrunfall in die Spur des Beklagten zu 1. gewechselt sei. Dabei habe er seine Geschwindigkeit nicht stetig verlangsamt, sondern an der auf rot umschaltenden Ampel eine Vollbremsung gemacht. Dies...

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