Leitsatz (amtlich)
1. In einem der AVBFernwärmeV unterliegenden Vertrag über die Lieferung von Fernwärme ist eine Preisänderungsklausel, die eine Änderung des vertraglich vereinbarten Arbeitspreises als Vergütung der konkret abgenommenen Wärmemenge je zur Hälfte nach den ihrerseits einer angemessenen Preisänderungsklausel unterworfenen Kosten des Wärmelieferanten (Kostenelement) und der allgemeinen Marktentwicklung zur Beschaffung von Fernwärme nach Maßgabe des vom Statistischen Bundesamtes veröffentlichten Wärmepreisindexes (Marktelement) vorsieht, grundsätzlich angemessen im Sinne des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV.
2. Eine Preisänderungsklausel über den Arbeitspreis in einem Fernwärmelieferungsvertrag, die durch die Anknüpfung an frühere Arbeitspreise oder Preisindizes eine Änderung des nach dem Fernwärmevertrag geltenden Arbeitspreises bereits zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ermöglicht, ist jedenfalls dann inhaltlich unangemessen und wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn ihre Anwendung zu einer Preiserhöhung für den Kunden führen würde.
Normenkette
AVBFernwärmeV § 24 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 31.01.2020; Aktenzeichen 1 O 90/19) |
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird das am 31. Januar 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 1 0 90/19 - in der Entscheidungsformel zu Ziffer 3 dahin gefasst, dass festgestellt wird, dass durch das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019 die dort angeführte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nicht wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/10. Oktober 2009 einbezogen worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des Revisionsverfahrens haben die Klägerin zu 1), der Kläger 2) und die Beklagte je zu 1/2 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten noch um die Wirksamkeit der Ersetzung einer unwirksamen Preisänderungsklausel in einem zwischen ihnen seit 2009 bestehenden Wärmelieferungsvertrag.
Mit Schreiben vom 24. April 2019 sowie durch Veröffentlichung in der Berliner Morgenpost und online im Bundesanzeiger am 30. April 2019 erklärte die Beklagte, die auch von ihr für unwirksam gehaltene ursprüngliche Preisänderungsklausel in § 8 Abs. 4 dieses Wärmelieferungsvertrages für den Arbeitspreis mit Wirkung ab dem 1. Mai 2019 durch eine neue Preisänderungsklausel zu ersetzen (im Folgenden: PÄK AP 2019). Die PÄK AP 2019 mit der Formel
"APW = APWO × (0,5 × B/Bo + 0,5 × BI/Bio)"
erläuterte die Beklagte wie folgt:
"Es bedeuten:
APW = Arbeitspreis, netto, des jeweiligen Abrechnungszeitraums.
APW0 = Arbeitspreis, netto, nach Wärmelieferungsvertrag, Preisbasis 2015 (= 100 bezogen auf Bo)
B0 = Index des Statistischen Bundesamtes, Wärmepreisindex, Jahresdurchschnitt des Kalenderjahres, aktuell veröffentlicht als Jahresdurchschnitt 2018 (= 92,3). Der Wärmepreisindex ist im Teilindex CC13-77 des Verbraucherpreisindex der Tabelle 61111-0005, Verwendszw.d.lndividualkonsums, Sonderpositionen (68) vom Statistischen Bundesamt dargestellt* und auffindbar unter ≪es folgen zwei Internet-Fundstellen≫.
B = Index des Statistischen Bundesamtes, ermittelt und veröffentlicht wie vor, Stand: Jahresdurchschnitt des zum Beginn des Abrechnungszeitraums laufenden Kalenderjahres.
Bl0 = Tarif V "Allgemeiner Wärmepreis, Sonderzwecke nach besonderer Vereinbarung, Preisliste VG 1.1/2018", netto, veröffentlicht vom Unternehmen V AG auf der Website des Unternehmens ≪es folgt eine Internet-Fundstelle≫.
BI= Zum Zeitpunkt des Beginns des Abrechnungszeitraums gültiger Tarif V, "Allgemeiner Wärmepreis, Sonderzwecke nach besonderer Vereinbarung, Preisliste VG 1.1 des entsprechenden Abrechnungsjahres", netto, vom Unternehmen V AG festgesetzt auf der Website des Unternehmens ≪es folgt eine Internet-Fundstelle≫."
Die Beklagte bezieht die von ihr gelieferte Wärme ihrerseits von der V AG aufgrund eines Wärmeversorgungsvertrages vom 16. November 2010. Ziffer 7.1 dieses Vertrages erlaubte der Wärmelieferantin der Beklagten Änderungen der nach Ziffer 6 dieses Vertrages im Einzelnen vereinbarten Preise nach Maßgabe verschiedener Preisindizes für Grund-, Arbeits- und Emissionspreis.
Wegen der Einzelheiten wird auf den von der Beklagten als Anlage B 10 in Kopie zu den Akten gereichten Wärmeversorgungsvertrag Bezug genommen.
Das Landgericht Berlin hat auf Antrag der Klägerin mit Urteil vom 31. Januar 2020 unter anderem festgestellt, dass sowohl die ursprünglich vereinbarte Preisänderungsklausel als auch die PÄK AP 2019 unwirksam seien. Die unter anderem hiergegen g...