Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 28.04.2006; Aktenzeichen (260 Ds) 61 Js 6134/05 (22/06))

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. April 2006 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Mit ihrer zulässigen Sprungrevision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts sind die Angeklagten und der frühere, inzwischen verstorbene Mitangeklagte ..."als BGB-Gesellschafter Eigentümer des im Grundbuch von Tempelhof des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg Blatt ..., lfd. Nr. ... des Bestandsverzeichnisses, Flur ..., Flurstück ..., Gebäude und Freifläche .../... ..., ..., S-Bahnhof ... eingetragenen Grundstücks mit einer Grundfläche von 1.951 qm. Es handelt sich um den unmittelbar vor dem nördlichen Eingang des S-Bahnhofs ... gelegenen Vorplatz." In der zweiten Abteilung des Grundbuches ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Duldung von Einwirkungen, Zugangs- und Nutzungsrecht sowie Wegerecht) für die Deutsche Bahn AG, Berlin - im Folgenden DB AG - eingetragen. Die Dienstbarkeit wurde in das Grundbuch eingetragen, weil der S-Bahnhof nur sinnvoll genutzt werden kann, wenn die Benutzer über das Grundstück der Angeklagten in ihn hineingelangen können.

Im Juni 2005 hatte sich über einen Zeitraum von zumindest mehreren Tagen vor der rechten Tür des S-Bahneingangs in der Pflasterung ein Loch mit einem Durchmesser von etwa 50 cm gebildet, in dem Pflastersteine fehlten bzw. lose waren. Dies war auch bei oberflächlicher Betrachtung ohne weiteres zu erkennen. Am 23. Juni 2005 wollte der Zeuge ... gegen 7.10 Uhr den S-Bahnhof betreten. Da er in Eile war, übersah er das Loch in der Pflasterung. Er knickte um, geriet ins Straucheln und kam zu Fall. Dabei stürzte er auf sein linkes Knie, erlitt eine Prellung und verspürte starke Schmerzen.

Den Angeklagten war der Schaden in der Pflasterung unbekannt. Sie hatten allerdings auch keine Überwachungsmaßnahmen im Hinblick auf den Zustand der Pflasterung organisiert. Es war lediglich ein Reinigungsunternehmen beauftragt worden, welches einmal im Monat das Grundstück von Abfällen räumen sollte. Die Angeklagten gingen davon aus, dass etwaige zu beseitigende Schäden an Anlagen von diesem Unternehmen auch gemeldet würden. Im Übrigen verließen sie sich darauf, dass die aus der Dienstbarkeit berechtigte und verpflichtete DB AG sich um die Erhaltung der Pflasterung kümmern würde.

II.

Das Amtsgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage dieser Feststellungen zu Recht freigesprochen. Die Sachrüge ist unbegründet.

1.

Das angefochtene Urteil genügt den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden Anforderungen an die Begründungspflicht bei freisprechenden Urteilen. Aufgabe der Urteilsgründe ist es, dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung auch bei einem Freispruch zu ermöglichen (vgl. BGHSt 37, 21 f). Diese Nachprüfung ist hier möglich.

Die Revision ist der Auffassung, die getroffenen Feststellungen seien in sich widersprüchlich. Das Amtsgericht habe festgestellt, die Angeklagten seien Eigentümer des im Grundbuch eingetragenen "Grundstücks Flurstück ..., bestehend aus Gebäude- und Freifläche." Die anschließende Feststellung, es handele sich bei diesem Grundstück um den unmittelbar vor dem nördlichen Eingang des S-Bahnhofs ... gelegenen Vorplatz, sei damit nicht zu vereinbaren, weil zu dem Grundstück eben nicht nur der Vorplatz als Freifläche, sondern auch ein den Angeklagten gehörender Gebäudeteil gehöre. Der behauptete Widerspruch besteht indessen nicht. Abgesehen davon, dass die Urteilsgründe nicht die Formulierung enthalten, dass es sich "bei diesem Grundstück" um den Vorplatz des S-Bahnhofs handele, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass das Amtsgericht mit dem Satz "Es handelt sich um den unmittelbar vor dem nördlichen Eingang des S-Bahnhofs ... gelegenen Vorplatz" allein die Freifläche gemeint hat, auf der sich der Unfall ereignet hat.

2.

Mit Recht hat das Amtsgericht eine den Tatbestand des § 229 StGB erfüllende Sorgfaltspflichtverletzung der Angeklagten verneint.

a)

Die Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht für die Pflasterung des Vorplatzes oblag der dienstbarkeitsberechtigten DB AG.

aa)

Da zugunsten der DB AG eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen war, ist § 1020 BGB einschlägig, der über § 1090 Abs. 2 BGB auch für beschränkte persönliche Dienstbarkeiten gilt. Gemäß § 1020 Satz 2 BGB hat der Berechtigte eine Anlage, die er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück hält, in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert. Wenngleich diese Vorschrift sich zunächst nur ...

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