Leitsatz (amtlich)

1. Den staatlichen Gerichten kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und des BVerfG gegenüber Ausschlussentscheidungen der für den Ausschluss von Mitgliedern politischer Parteien zuständigen Parteigerichte wegen der zu gewährleistenden Vereins- oder Parteiautonomie nur eine Prüfung nach eingeschränkten Maßstäben zu, und zwar darauf, ob die Maßnahme den gesetzlichen und satzungsmäßigen Grundlagen entsprechend in einem satzungsgemäßen Verfahren ergangen ist, ob die zugrunde gelegten Tatsachen aufgrund einer objektiven und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Ermittlung festgestellt worden sind, ob sonst keine Satzungs- oder Gesetzesverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist.

2. Da die Parteienfreiheit gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 PartG in personeller Hinsicht die freie Entscheidung über die Aufnahme oder den Ausschluss von Mitgliedern umfasst, sind die für Monopolverbände oder Vereinigungen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich geltenden strengeren Maßstäbe, nach denen ein Ausschluss wegen ihrer sozialen Mächtigkeit in gleicher Weise wie die Ablehnung eines Aufnahmeantrags sachlich gerechtfertigt sein muss (BGH v. 9.6.1997 - II ZR 303/95, MDR 1997, 954 = NJW 1997, 3368, 3370; BGH v. 15.10.1990 - II ZR 255/89, MDR 1991, 411 = NJW 1991, 485), für den Ausschluss aus einer politischen Partei nicht anzuwenden.

3. Dass für Mitglieder des Parteigerichts die formalen Altersgrenzen für Berufsrichter gelten, lässt sich weder aus der Satzung der CDU noch aus anderen Normen entnehmen.

4. Für den Ausschluss aus einer politischen Partei gelten nach § 10 Abs. 4 und 5 PartG spezielle und abschließende Sonderregelungen, nach denen über den Ausschluss "das nach der Schiedsgerichtsordnung zuständige Schiedsgericht" entscheiden muss, so dass mit Unanfechtbarkeit seiner Ausschlussentscheidung auch die Wirksamkeit eintritt, ohne dass es noch eines "Vollzuges" durch den Vorstand bedarf.

5. Die von den Parteigerichten getroffene Bewertung der objektiv mehrdeutigen und tendenziell als antisemitisch geprägt interpretierbaren Rede des Klägers, die in ihrer Gesamtwirkung über eine Darstellung von wahren historischen Fakten oder seine Schlussaussage, dass weder "die Deutschen", noch "die Juden" ein Tätervolk seien, hinausgeht, weil der Kläger gerade die persönliche Komponente des Judentums einzelner Täter ausführlich und heraushebend in den Vordergrund seiner Argumentationskette gestellt hat, ist weder grob unbillig oder willkürlich noch verletzt sie verfassungsrechtliche Vorgaben.

6. Die Grundsätze der "Soldaten sind Mörder"-Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 25.8.1994 - 1 BvR 1423/92, NJW 1994, 2943 f.) sind nicht auf eine Konstellation im Parteiausschlussverfahren übertragbar, bei der die Partei ggü. dem ausgeschlossenen Mitglied nur die Konsequenzen aus einer autonom beanstandungsfrei festgestellten Abweichung seines öffentlichkeitswirksamen Verhaltens von ihren Parteigrundsätzen zieht, um ihm das Recht zu entziehen, seine Überzeugungen, die im Übrigen rechtlich und politisch weiter verfolgbar bleiben, auch zukünftig noch mit der größeren Wirkungsmacht, die mit der Zuordnung zu einer großen Volkspartei verbunden ist, zu verbreiten.

7. Die in Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit des Klägers wird durch den Ausschluss, mit dem die CDU sich dagegen verwahrt, dass er seine Meinungen als CDU-Mitglied in einer ihr zurechenbaren Weise verfolgen kann, nicht tangiert, da es ihm unbenommen bleibt, seine Meinungsäußerungen als Privatperson und auch als politisch aktiver Mensch außerhalb der Parteiorganisation der Beklagten weiterzuverfolgen.

8. Die nach § 10 Abs. 4 PartG als Voraussetzungen für einen Parteiausschluss stets zu treffenden Einschätzung, ob ein bestimmtes, dementsprechend ordnungsgemäß festgestelltes Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Satzung oder einen erheblichen Verstoß gegen Grundsätze und Ordnung der Partei bedeutet und ob der Partei dadurch ein schwerer Schaden zugefügt worden ist, muss den Parteien selbst vorbehalten bleiben, da ihnen in Anerkennung ihrer Autonomie bei der Wert- und Zielsetzung im Rahmen ihrer Rolle im politischen Meinungsbildungsprozess ein Beurteilungsspielraum zugebilligt werden muss, den das staatliche Gericht nicht durch seine eigenen Überzeugungen und Wertmaßstäbe ersetzen darf.

9. Beim Ausschlusstatbestand des Verstoßes gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei reicht nach der wortlautgetreuen Interpretation des BGH (BGH v. 14.3.1994 - II ZR 99/93, MDR 1994, 951 = NJW 1994, 2610, 2613) ein erheblicher, wenn auch fahrlässig verursachter Verstoß, sofern er zu einem schweren Schaden geführt hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.11.2005; Aktenzeichen 28 O 585/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11.11.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 28 des LG Berlin wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlic...

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