Rz. 44
Die Kündigung kann sowohl darauf gestützt werden, dass der Mieter durch die Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt die Mietsache erheblich gefährdet oder er die Mietsache unbefugt einem Dritten überlässt. Er haftet aber nicht für solche Risiken, die den Räumen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anhaften und die er nicht erkannt hat (KG, Urteil v. 4.12.2017, 8 U 236/16, NZM 2018, 607).
Die Vernachlässigung der dem Mieter obliegenden Sorgfaltspflicht ist eine der zwei Alternativen des entsprechenden Kündigungstatbestands. Weitere Voraussetzung ist bei beiden Alternativen die dadurch bedingte erhebliche Gefährdung der Mietsache. Eine Gefährdung der Mietsache liegt dann vor, wenn sie durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist (LG Berlin, Urteil v. 28.2.2011, 67 S 109/10, ZMR 2011, 873; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 18.1.2012, 2/17 S 90/11, ZMR 2012, 352) oder wenn der Eintritt eines Schadens nach der Sachlage signifikant höher als bei einem vertragsgerechten Verhalten ist (LG Berlin, Beschluss v. 19.1.2018, 66 S 230/17, GE 2018, 393; Schmidt-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 134).
Unordentlicher Zustand der Mietwohung
Ein unordentlicher Zustand der Mietwohnung – z. B. in Gestalt des völligen Zustellens sämtlicher Räume der Wohnung überwiegend mit Kleidungsstücken und mit Kleidungsstücken gefüllten Plastiktüten – , ohne konkrete Substanzschäden oder Umstände, die solche unmittelbar erwarten lassen, stellt keine Verletzung der Pflichten aus dem Mietvertrag dar, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigen würden (LG Karlsruhe, Urteil v. 22.5.2019, 9 S 2/19, WuM 2019, 436; AG Köln, Urteil v. 26.7.2016, 209 C 121/16, WuM 2019, 288).
Zur Sorgfaltspflicht gehören die Obhutspflicht (Dittert/Landvoigt, GE 2005, 468, 469 f.) sowie die Anzeigepflicht gemäß § 536c (vgl. Dittert/Landvoigt, a. a. O., 473). Beide entstehen nicht mit Abschluss des Mietvertrages, sondern erst mit Übergabe der Mietsache. Nutzt der Mieter die Mietsache noch nach Beendigung des Mietverhältnisses weiter, so dauert die Obhutspflicht bis zur tatsächlichen Rückgabe fort (BGH, Urteil v. 10.1.1983, VIII ZR 304/81, NJW 1983, 1049).
Bei mehreren Mietern ist die Sorgfaltspflichtverletzung eines von ihnen ausreichend (Schmidt-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 130).
Rz. 44a
Die Gefährdung der Mietsache muss zudem erheblich sein.
Rz. 44b
Die Kündigung ist in der Regel nur dann berechtigt, wenn der Mieter schuldhaft seine Sorgfaltspflicht verletzt hat (Schmid-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 131). Ist der Mieter schuldunfähig, kann im Einzelfall eine Kündigung bei Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gerechtfertigt sein.
Rz. 44c
Der Mieter muss auch für das Verhalten derjenigen Personen einstehen, denen er den Gebrauch der Mietsache überlassen hat, wie z. B. dem Untermieter. Die Kündigung ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn bei Zugang der Kündigung die Gebrauchsüberlassung an diese – die Obhutspflicht verletzende – Person bereits beendet worden und diese ausgezogen ist (OLG Koblenz, NJW-MietR 1996, 247).
Rz. 45
Allein darin, dass der Mieter das gemietete Objekt nicht nutzt, liegt keine kündigungsbegründende Obhutspflichtverletzung (LG Frankfurt/Main, Urteil v. 29.11.1983, 2/11 S 185/83, WuM 1986, 249; AG Hamburg, Urteil v. 4.4.1997, 39a C 432/96, NZM 1998, 477), grundsätzlich auch nicht die Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil v. 7.10.2004, I ZR 18/02, GE 2005, 481). Anders ist es jedoch dann, wenn der Mieter eines Ladens gegen die vereinbarte Betriebspflicht verstößt (OLG Celle, Beschluss v. 20.6.2011, 2 U 49/11, ZMR 2011, 948; OLG Dresden, Beschluss v. 15.7.2015, 5 U 597/15, ZMR 2016, 26). Die Kündigung ist auch gerechtfertigt, wenn der abwesende Mieter während der Heizperiode nicht heizt, so dass die Gefahr von Rohrbrüchen besteht (LG Görlitz, Urteil v. 25.3.1994, 2 S 79/93, WuM 1994, 669; AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urteil v. 9.1.1987, 10 C 533/86, GE 1987, 283). Er muss dann dafür sorgen, dass ein Dritter die Wohnung im Falle eines Kälteeinbruchs entsprechend heizt (LG München I, Urteil v. 31.3.1965, 15 S 530/64, VersR 1966, 1064). Bei nicht beheizbaren Nebenräumen muss der Mieter die Wasserleitungen derart umhüllen, dass sie nicht einfrieren (AG Berlin-Neukölln, Urteil v. 6.8.1987, 14 C 185/87, GE 1988, 203). Bei leerstehenden Mietobjekten muss der Mieter die Wasserleitungen absperren, entleeren und bis zur Vertragsbeendigung abgesperrt halten (OLG Frankfurt/Main, Urteil v. 7.1.1987, 17 U 27/86, WuM 1988, 175 zur Obliegenheitsverletzung bei Wasserschadensversicherung). Jedoch führt allein der höhere Heizenergieverbrauch der unter oder über der Wohnung des ausgezogenen Mieters liegenden Wohnungen nicht dazu, eine Sorgfaltspflichtverletzung des ausgezogenen Mieters anzunehmen. Ein Kündigungsgrund liegt auch darin, dass der Mieter die in der Wohnung befindliche Heizungsanlage dergestalt verändert, dass sie sich in keinem ordnungsgemäßen Zustand mehr befindet ...