Leitsatz

Das OLG Dresden hat sich in dieser Entscheidung primär damit auseinandergesetzt, welcher Abänderungsmaßstab anzulegen ist, wenn eine gerichtliche Erstentscheidung zur elterlichen Sorge abgeändert werden soll.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren Eltern eines im Jahre 2002 geborenen Kindes. Ihre Ehe war geschieden. In dem Verbundurteil war die alleinige elterliche Sorge auf die Antragsgegnerin übertragen worden, nachdem der Antragsteller bereits im Jahre 2007 mit unbekanntem Ziel nach Spanien verzogen war.

Nach Rückkehr des Antragstellers im Februar 2009 hat das AG auf seinen Antrag mit Beschluss vom 16.6.2009 die Sorgerechtsentscheidung im Ehescheidungsurteil dahingehend abgeändert, dass die Parteien die elterliche Sorge nunmehr gemeinsam ausüben mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das der Antragsgegnerin alleine zustehen sollte.

Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde und trug vor, die Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland sei kein triftiger Grund i.S.d. § 1696 BGB. Zwischen den Parteien bestehe zudem keine ausreichende Kommunikationsbasis. Sie - die Antragsgegnerin - habe aufgrund der in der Vergangenheit erlittenen Gewalt Angst vor dem Antragsteller.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Auch nach Auffassung des OLG lagen keine Gründe für eine Abänderung der Entscheidung des FamG im Scheidungsurteil zur elterlichen Sorge vor.

Bei der zu treffenden Entscheidung richte sich der Abänderungsmaßstab nach § 1696 Abs. 1 BGB. Diese Norm werde entgegen der Ansicht des FamG lediglich durch die - einen eigenen Abänderungsmaßstab enthaltende - Vorschrift des § 1671 BGB als lex speciales verdrängt, wenn Gegenstand der richterlichen Entscheidung die Beendigung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei (vgl. OLG Hamm FamRZ 2007, 756, 757; Staudinger/Coester [2006], § 1696 Rz. 16).

Sei dagegen die elterliche Sorge - wie im vorliegenden Fall - nur einem Elternteil übertragen und beantrage der andere Elternteil die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, gelte für die Abänderung der Maßstab des § 1696 BGB (vgl. OLG Braunschweig FamRZ 2002, 121, 122; OLG Jena FamRZ 2001, 436; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1605 [1606]; Johannsen/Henrich/Büte, Eherecht, 4. Aufl., § 1696 Rz. 17; Schwab, FamRZ 1998, 457, 471).

Nach § 1696 Abs. 1 BGB habe das FamG seine Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes aus nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Dieser Maßstab sei strenger als die in §§ 1671 Abs. 2 Nr. 2, 1672 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene Prüfung, ob eine bestimmte gerichtliche Maßnahme dem Wohle des Kindes diene oder am besten entspreche.

Die Vorteile der Neuregelung müssten vielmehr die mit der Abänderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.; Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1696 Rz. 15; Staudinger/Coester, a.a.O., § 1696 Rz. 66; Johannsen/Henrich/Büte, a.a.O.).

Diese strengen Voraussetzungen dienten dem Gesichtspunkt der Erziehungskontinuität. Jede Änderung solle an dem generellen Bedürfnis jedes Kindes nach Kontinuität und Stabilität seiner Lebens- und Erziehungsbedingungen gemessen werden. Eine einmal getroffene Sorgerechtsentscheidung solle nicht beliebig wieder aufgerollt werden.

Vorliegend lehne die Antragsgegnerin die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ausdrücklich ab. Die von ihr vertretene Haltung erscheine nachvollziehbar und verständlich, zumal es nach ihrem glaubhaften Vorbringen in der Vergangenheit zu massiven körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gekommen sei.

In Anbetracht der von ihr geschilderten Umstände sei nicht zu erwarten, dass es den Parteien derzeit gelingen könne, die im Rahmen einer gemeinsamen elterlichen Sorge erforderliche enge und vertrauensvolle Kommunikation zu pflegen. Vielmehr müsse aufgrund der tiefen Abneigung der Antragsgegnerin ggü. dem Antragsteller und der damit verbundenen Einschränkung der Kommunikation befürchtet werden, dass sich bei Zuerkennung einer gemeinsamen Sorge gegen den Willen der Antragsgegnerin zusätzliche Spannungsfelder ergäben, die zwangsläufig zu nicht unerheblichen Belastungen für das Kind führen würden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Dresden, Beschluss vom 22.03.2010, 21 UF 670/09

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