Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentlicher Rechtsweg für Streit um Vertragsverhältnis zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Unter den Begriff der Berufsausbildung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fallen alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG und damit nicht nur die Berufsausbildung nach § 1 Abs. 3 BBiG sondern auch die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung nach § 1 Abs. 4 und 5 BBiG; dem Begriff der "Beschäftigung" kommt eine eigenständige Bedeutung zu, die den notwendigen Bezug der Streitigkeit von Parteien eines Berufsbildungsverhältnisses zum Arbeitsrecht herstellt.

2. Maßgeblich für eine "Beschäftigung" zur Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist der Umstand, dass der Betreffende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet, was auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung im Sinne von § 2 Abs. 1 BBiG in Betracht kommt, wenn der Beschäftigte dem Weisungsrecht der Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Orts der Tätigkeit unterworfen ist; ob die Ausbildung dem Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes unterfällt oder diesem entzogen ist, ist unerheblich.

3. Dient das Ausbildungsverhältnisses dazu, nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung die Approbation zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu erhalten, darf eine solche Ausbildung zum Schutz der Kranken einerseits und zur Sicherung der Ausbildungsqualität andererseits gemäß § 6 Abs. 1 PsychThG nur an Hochschulen oder anderen staatlich anerkannten Einrichtungen erfolgen, wobei gemäß § 6 Abs. 2 PsychThG andere Einrichtungen nur dann als Ausbildungsstätte anerkannt werden dürfen, wenn die Teilnehmenden gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 6 PsychThG während der praktischen Tätigkeit angeleitet und beaufsichtigt werden und die begleitende theoretische und praktische Ausbildung durchgeführt wird.

4. Soweit aufgrund der einschlägigen Vorschriften insbesondere Weisungen, Anleitungen und Aufsichtsmaßnahmen sowie Dokumentations- und Berichtspflichten zugleich Inhalt und Hauptleistungspflicht des Ausbildungsverhältnisses sind, stellen diese originär am Ausbildungszweck orientierten Anleitungen und Weisungen keine über den reinen Leistungsaustausch hinausgehenden Pflichten und Weisungen dar, so dass eine Beschäftigung zur Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausscheidet, wenn der Teilnehmer an der Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages nicht weitergehenden Pflichten oder Weisungen unterworfen ist.

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 1; BBiG § 1 Abs. 1, 3-5, § 2 Abs. 1; PsychThG § 6 Abs. 1, 2 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 11.09.2014; Aktenzeichen 5 Ca 282/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 15.04.2015; Aktenzeichen 9 AZB 10/15)

 

Tenor

  1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 11.09.2014 (5 Ca 282/14) wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Der Kläger richtet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Verneinung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.

In der Hauptsache streiten die Parteien über den Bestand eines Vertragsverhältnisses des Klägers, welches eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zum Inhalt hat, sowie über Unterlassungs- und Zahlungsansprüche des Klägers.

Die Beklagte hat ihren Geschäftssitz in T. Sie betreibt bundesweit Ausbildungsinstitute in mehreren größeren Städten. Sie ist anerkannte Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Die Parteien schlossen am 01.10.2010 einen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie mit Vertiefung Verhaltenstherapie (Bl. 17 bis 18 d. Akte). Die Beklagte verpflichtete sich in § 2 Abs. 1 des Ausbildungsvertrags, dem Kläger alle in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung des Psychotherapiegesetzes (PsychThG) genannten Ausbildungsbestandteile im dort geforderten Umfang von mindestens 4.200 Stunden im Rahmen der Ausbildung selbst oder durch kooperierende Einrichtungen innerhalb der Gesamtdauer von fünf Jahren anzubieten. Für die Durchführung der Ausbildung wurde gemäß § 1 Abs. 2 des Ausbildungsvertrags die Geltung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPsychTh-APrV) vereinbart. Die Durchführung der gemäß der KJPsychTh-APrV erforderlichen Stundenzahlen in praktischer Tätigkeit, theoretischer Ausbildung, praktischer Ausbildung und Selbsterfahrung wurde in § 3 Abs. 1 des Ausbildungsvertrages geregelt. Die eigenständige Krankenbehandlung im Ausbildungsbestandteil Praktische Ausbildung wurde in § 2 Abs. 2 des Ausbildungsvertrags unter den Vorbehalt der persönlichen Eignung des Klägers gestellt. Außerdem wurde der Ambulanzleitung vorbehalten, diese selbstständige Krankenbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen von Auflagen a...

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