Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung im vorläufigen Rechtsschutz auf Feststellung der Ungültigkeit einer Wahlvorschlagsliste der IG Metall zu einer angesetzten Neuwahl eines Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
1. Feststellungsverfügungen in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes fehlt es nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis, weil über den Verfügungsanspruch nicht mit Rechtskraftwirkung für das Hauptsacheverfahren entschieden wird.
2. Zur Auslegung der Satzung der IG Metall zur Zuständigkeit eines Ortsvorstands, Wahlvorschläge gemäß § 14 Abs. 3 BetrVG einzureichen, sowie zum Begriff des "Beauftragten" i.S.d. § 14 Abs. 5 BetrVG, § 27 Abs. 2 WahlO.
3. Leidet ein Betriebsratswahlverfahren an einem eindeutig erkennbaren Fehler und hätte deshalb eine Wahlanfechtung mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg, sind korrigierende gerichtliche Eingriffe in das Wahlverfahren vorzugswürdig gegenüber der Verweisung auf die nachträgliche Anfechtungsmöglichkeit.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 14 Abs. 5; WahlO § 27 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Entscheidung vom 13.10.2023; Aktenzeichen 6 BVGa 1/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen (Beteiligte zu 2 bis 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 13. Oktober 2023 - 6 BVGa 1/23 - abgeändert: Der Beteiligte zu 5 wird verpflichtet, zu der am 25. Oktober 2023 im Betrieb der Beteiligten zu 6) stattfindenden Betriebsratswahl die Vorschlagsliste mit dem Kennwort "IG Metall" zuzulassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit einer Wahlvorschlagsliste der IG Metall zu der für den 25. Oktober 2023 angesetzten Neuwahl eines Betriebsrats im Betrieb der Beteiligten zu 6 - nachfolgend: die Arbeitgeberin. Der Beteiligte zu 5 ist der Wahlvorstand - nachfolgend: der Wahlvorstand -, die Beteiligten zu 2 - 4 - nachfolgend: die Antragstellerinnen - sind auf der Liste aufgeführte Arbeitnehmerinnen, die sich zur Wahl stellen.
Mit Wahlausschreiben vom 12. September 2023 leitete der Wahlvorstand die am 25. Oktober 2023 stattfindende Betriebsratswahl ein und forderte zur Einreichung von Wahlvorschlägen bis zum 26. September 2023 auf. Im Betrieb sind laut dem Wahlausschreiben 733 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die IG Metall ist ein nicht eingetragener Verein und dreistufig aufgebaut in (regionale) Geschäftsstellen, Bezirke und Vorstand. Die Satzung der IG Metall enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 14 Geschäftsstellen und Ortsvorstände
2. Die Leitung der Geschäftsstelle ist der Ortsvorstand.
Er besteht aus dem bzw. der 1. Bevollmächtigten, dem bzw. der 2. Bevollmächtigten, dem Kassierer bzw. der Kassiererin und mindestens sechs Beisitzern bzw. Beisitzerinnen, aus deren Reihen der Ortsvorstand drei oder vier Revisoren bzw. Revisorinnen zu bestellen hat.
Die Bevollmächtigten und der Kassierer bzw. die Kassiererin führen die Geschäfte des Ortsvorstandes. Der bzw. die 1. Bevollmächtigte ist in jedem Falle als geschäftsführender Bevollmächtigter bzw. geschäftsführende Bevollmächtigte anzustellen.
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4. Aufgaben des Ortsvorstandes:
a) Der Ortsvorstand leitet die Geschäftsstelle im Rahmen der Satzung nach dem vom Vorstand aufgrund der Beschlüsse des Gewerkschaftstages, Beirates und Vorstandes gegebenen Anweisungen, Richtlinien und Vollmachten. Der Ortsvorstand vertritt die Geschäftsstelle nach innen und außen, sowohl den Mitgliedern als auch Dritten gegenüber. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann der Ortsvorstand Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anstellen. Diese können weder Mitglied des Ortsvorstandes noch der Delegiertenversammlung sein.
b) Der Ortsvorstand hat zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Arbeit in den Betrieben, zur Beratung der Mitgliedschaft und im Hinblick auf die Verwirklichung der Aufgaben und Ziele der IG Metall nach den Richtlinien des Vorstandes Vertrauenskörper zu bilden und ein entsprechendes Tätigwerden der Vertrauensleute sicherzustellen.
c) Unterstützung und Überwachung bei der Einleitung und Durchführung von Vertrauensleute, Betriebsrats-, Jugend- und Auszubildendenvertretungs-, Schwerbehindertenvertrauensleute- und Aufsichtsratswahlen.
d) Erfassung, Schulung und Beratung von Vertrauensleuten, Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitgliedern, Schwerbehindertenvertrauensleuten und Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
e) Durchführung von Schulungs- und Bildungsmaßnahmen.
f) Bildung von Ausschüssen und Arbeitskreisen nach den Richtlinien des Vorstandes.
g) Bestätigung und Kontrolle der Tätigkeit der örtlichen Funktionäre und Funktionärinnen.
h) Einberufung und Durchführung von Delegiertenversammlungen und Versammlungen von Funktionären und Funktionärinnen und Mitgliedern.
i) Durchführung von Agitationsmaßnahmen und Werbung neuer Mitglieder. Regelmäßige Verteilung der metallzeitung an die Mitglieder.
j) Unterstützung der Mitglieder durch Rat und Auskunft.
k) Durchführung der Tarif-, Lohn- und Gehaltsbewegung nach den Anweisungen des Vorstandes. Überwachung der Tarif-, Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen und Beseitigung der sich...