Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Sozialleistungen auf Karenzentschädigung
Leitsatz (redaktionell)
Überbrückungsgeld hat Lohnersatzfunktion und ist deshalb auf eine Karenzentschädigung anrechnungspflichtig.
Normenkette
HGB § 74c
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom16.07.2004, Az. 8 Ca 24/04, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Karenzentschädigung für die Zeit von Januar 2004 bis März 2004. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 16.07.2004 (Bl. 77 ff. d. Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Überbrückungsgeld sei als anrechenbare Leistung im Sinne des § 74 c HGB anzusehen. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das eine Anrechnung für Übergangsgeld, welches nicht als Abgeltung von Arbeitsleistung angesehen werden kann verneint, eine Anrechnung von Arbeitslosengeld als Lohnersatzleistung aber bejaht habe, da der Arbeitnehmer hier dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, sei davon auszugehen, dass auch das Überbrückungsgeld Lohnersatzfunktion in diesem Sinne habe. Zwar sei das Überbrückungsgeld auch Anschubfinanzierung für die Selbständigkeit. Es werde aber nur sechs Monate bezahlt nämlich so lange der Selbständige typischerweise noch keine oder geringe Einkünfte erziele und habe in dieser Zeit Lohnersatzfunktion. Vor und nach dem Förderzeitraum könne Anspruch auf Arbeitslosengeld gegeben sein; es bestehe deshalb ein hinreichender Bezug zum Arbeitslosengeld, dessen Anrechenbarkeit auf die Karenzentschädigung feststehe. Auch schade nicht, dass das Überbrückungsgeld im Ermessen der Agentur für Arbeit liege, da der Arbeitnehmer ansonsten in der Regel Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Schließlich werde das Überbrückungsgeld ebenso wie Arbeitslosengeld an Arbeitswillige und Arbeitsfähige bezahlt und weise daher einen engen Bezug zur Verwertung der Arbeitskraft auf. Auch die Höhe des Überbrückungsgeldes, die sich nach Arbeitslosengeld richte, spreche für den Lohnersatzcharakter dieser Leistung.
Das Urteil ist dem Kläger am 27.07.2004 zugestellt worden. Mit der am 24.08.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 24.09.2004 ausgeführten Berufung rügt der Kläger, es sei falsch, dass der Antragsteller von Überbrückungsgeld „statt dessen” in der Regel Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Eine selbständige Tätigkeit sei eine Beschäftigung im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III und schließe den Anspruch auf Arbeitslosengeld gerade aus. Auch stehe der Kläger als Selbständiger dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, sondern verwerte seine Arbeitskraft gerade dadurch, dass er sich selbständig seinen Lebensunterhalt verdiene. Überbrückungsgeld sei eine Sozialleistung der Sozialgemeinschaft und damit ebenso wie Übergangsgeld nicht anrechenbar. Das Überbrückungsgeld erwerbe der Kläger auch nicht etwa durch Verwertung seiner Arbeitskraft. § 74 c HGB lasse aber nur die Anrechnung von Einnahmen aus einer Tätigkeit zu. Der Kläger meint, gesetzgeberischer Zweck des § 74 c HGB sei der Schutz des typischerweise schwächeren Handlungsgehilfen vor übermäßiger Beschränkung seiner beruflichen Freiheit. Es sei sehr wohl maßgeblich, dass das Überbrückungsgeld nur nach Ermessen und nach einer Bescheinigung über die Tragfähigkeit des Konzepts zur Existenzgründung gewährt werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 3.978,69 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeweils aus 1.326,23 EUR seit dem 01.02.2004, seit dem 01.03.2004, und 01.04.2004 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, es sei unerheblich, ob der Antragsteller von Überbrückungsgeld „statt dessen” in der Regel Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Da der Empfänger von Überbrückungsgeld am Arbeitsprozess teilnehme, sei der Prüfungsschritt, ob er dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung stehe, hier nicht nötig. Das Überbrückungsgeld sei auch keine Sozialleistung, da es auf der Verwertung der Arbeitskraft beruhe, bei anderen Sozialleistungen der Arbeitnehmer aber gerade nicht am Arbeitsprozess teilnehme. Die Beklagte meint, der Kläger habe das Überbrückungsgeld durch Verwertung seiner Arbeitskraft erworben. Der Gesetzeszweck von § 57 SGB III und § 74 c HGB seien identisch, nämlich die Sicherung des bisherigen Lebensstandards auf einem bestimmten Niveau.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 12 ff. d. Akte) und die Berufungserwiderung (Bl. 40 ff. d. Akte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, in gehöriger ...