Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnis. Hebamme. Bedauern. Widersprüche. Beendigungsgrund. Anforderungen an den Inhalt eines Arbeitszeugnisses bei krankheitsbedingtem einvernehmlichen Ausscheiden einer Hebamme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschäftigt ein Krankenhaus eine Hebamme nach schwerer Erkrankung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gegen ihren Willen nur noch mit administrativen Hilfs- bzw. mit Pflegeaufgaben, darf sie dies im Zeugnis nicht unter Angabe von Datum (von ... bis ...) erwähnen, falls nicht feststeht, dass aus gesundheitlichen Gründen im eigenen Haus aber auch anderswo eine Tätigkeit als Hebamme nicht mehr möglich ist.

2.Ist die Hebammentätigkeit feststehend nicht mehr möglich, weil die Arbeitnehmerin gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage ist und muss sie deshalb geringerwertig eingesetzt werden, ist der Grund für die Umsetzung anzugeben, um nicht den Anschein der Degradierung aus von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Gründen zu erwecken.

3. Wird nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Änderungskündigung auf Vorschlag der Arbeitnehmerin ein Aufhebungsvertrag gegen Abfindung geschlossen, kann die Arbeitnehmerin verlangen, dass der Arbeitgeber ein Ausscheiden auf Wunsch der Arbeitnehmerin im Zeugnis bestätigt.

4.Die Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ein Bedauern über das Ausscheiden der Arbeitnehmerin im Zeugnis wiedergibt.

 

Normenkette

BGB § 630

 

Verfahrensgang

ArbG Lörrach (Entscheidung vom 19.04.2011; Aktenzeichen 1 Ca 25/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 19.04.2011 - Az. 1 Ca 25/11 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des unter dem 31. März 2010 erteilten Zeugnisses ein Zeugnis folgenden Inhalts zu erstellen:

Zeugnis

Frau S., geb. am 0.0.1962 in S., war vom 01.04.1994 bis zum 31.03.2010 als Hebamme mit einem Stellenumfang von 100% in der E. Krankenhaus gGmbH beschäftigt.

Die E. Krankenhaus gGmbH mit 220 Betten verfügt seit 2006 über ein Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, als Perinatalzentrum anerkannt, ein Zentrum für Gynäkologie und Geburtshilfe, eine Abteilung für Anästhesie und die Belegabteilungen Urologie und HNO sowie die Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Träger und Gesellschafter des E. Krankenhauses ist der Orden der Barmherzigen Schwestern vom hl. V. mit Sitz in F. Angeschlossen ist in Kooperation mit den Kreiskliniken des Landkreises L. GmbH eine Krankenpflegeschule mit 140 Ausbildungsplätzen.

Das Zentrum für Gynäkologie/Geburtshilfe im E. Krankenhaus umfasst derzeit 30 Betten im Bereich der Geburtshilfe sowie 30 Betten im Bereich der Gynäkologie.

Im E. Krankenhaus werden seit 2006 pro Jahr etwa 1.350 Kinder geboren. Angeschlossen ist ein Perinatalzentrum (Level 1). Entsprechend wird ein hoher Anteil an Risiko-Schwangerschaften betreut.

Im Bereich des Kreißsaales werden normale sowie regelwidrige Geburten durchgeführt.

Bei einer normalen Geburt werden der Entbindenden verschiedenste Möglichkeiten der Entbindungsposition durch die Hebamme angeboten wie Wassergeburten, Entbindung im Vierfüßler-Stand, Hockerentbindungen etc. Die regelwidrigen Geburten umfassen Entbindungen per Saugglocke, Zange sowie die Betreuung der Schwangeren bei einem Kaiserschnitt.

Zu den Aufgaben einer Hebamme gehört die sach- und fachkundige pflegerische Betreuung der Patientinnen vor, während und nach der Geburt unter den besonderen Voraussetzungen unserer konfessionellen Trägerschaft. Fachlich bedeutet dies die pflegerische Versorgung von Mutter und Kind nach dem Prinzip der ganzheitlichen Versorgung einschließlich Beratung und Anleitung der Mutter zum Stillen. Durch das Perinatalzentrum wird eine hohe Anzahl Hochrisikopatientinnen betreut. In der Akutphase erfolgt die Betreuung der Frauen im Kreißsaal durch das Hebammenteam.

In diesen Tätigkeiten war Frau S. im Schichtsystem (Früh-, Zwischen-, Spät- und Nachtdienst) eingesetzt und bewies hierdurch ein hohes Maß an Flexibilität.

Die Betreuung der Schwangeren, der entbundenen Frauen mit ihren Kindern sowie der Patientinnen übernahm Frau S. korrekt und gewissenhaft. Sie ging auf die Wünsche der Patientinnen ein, beriet und unterstützte die jungen Eltern in ihren neuen Aufgaben. Sie schulte die Eltern umfassend in der pflegerischen Versorgung des Neugeborenen.

Im Weiteren übernahm Frau S. administrative Tätigkeiten wie Lagerbestellungen, PC-gestützte Leistungserfassungen und die Versorgung und Entsorgung von Material im Kreißsaal.

Frau S. war in der Lage, die ihr zugeteilten Aufgaben den täglichen sachlichen und räumlichen sowie inhaltlichen Erfordernissen anzupassen. Sie berücksichtigte dabei gleichermaßen die Bedürfnisse aller Beteiligten. Sie bewies dabei Flexibilität und Professionalität.

Frau S. zeigte sich als engagierte und verantwortungsbewusste Mitarbeiterin.

Die ihr als Hebamme übertragenen Aufgaben erledigte Frau S. stets zu unserer vollen Zufried...

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