Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Urteil vom 23.06.1994; Aktenzeichen 4 Ca 771/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil desArbeitsgerichts Reutlingen vom23.06.1994 – 4 Ca 771/93 – im Kostenteil und insoweit abgeändert, als die Klage insgesamt abgewiesen wurde:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.12.1993 nicht mit Ablauf des 31.12.1993 beendet wurde.
2. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis habe auch über den 31.01.1994 hinaus fortbestanden, wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von dem Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage der Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, hilfsweise um die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist.
Der am 14.08.1966 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist seit Oktober 1991 bei der Beklagtem, einem Umternehmen der …, in der … zu einem monatlichen Durchschnittslohn von DM 3.500,– beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der zwischen dem Verband der Baden-Württembergischen … e.V., der Fachvereinigung … und der Gewerkschaft … abgeschlossene Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer vom 01.01.1985, in der Fassung vom 05.11.1992, kraft Organisation Anwendung (im folgenden: MTV).
Im Betrieb der Beklagten sind mehr als fünf Arbeitnehmer ohne die Auszubildenden beschäftigt; es ist ein Betriebsrat gewählt.
Die Beklagte hat sich entschlossen, das Produktionsprogramm … und … nicht mehr selbst herzustellen. Sie hat wegen des damit notwendig gewordenen Personalabbaus mit dem Betriebsrat am 09.12.1993 eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan (vgl. ABl. 24 ff.) abgeschlossen. Die Produktionseinschränkung hatte u.a. zur Folge, daß die … anlage nicht mehr in drei Schichten zu je vier Arbeitnehmern, sondern nur noch in zwei Schichten zu je vier Arbeitnehmern betrieben wurde, weshalb vier Arbeitsplätze weggefallen sind. Von den sechs Kalandern, die jeweils mit einem Arbeitnehmer in zwei Schichten besetzt waren, wurden in der Nachmittagsschicht nur noch vier Kalander besetzt, weshalb sechs Arbeitsplätze in der … in Zukunft entfielen.
Die Beklagte hat beabsichtigt, wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze u.a. auch den Kläger zu kündigen. Der deswegen beteiligte Betriebsrat hat der Kündigung dem Grunde nach zwar nicht widersprochen, im Gegensatz zur Beklagten jedoch die Auffassung vertreten, § 17 Ziff. 2 MTV nehme auf § 622 Abs. 2 BGB in der Fassung des KündFG vom 07.10.1993 Bezug, weshalb im Falle des Klägers eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende einzuhalten sei.
In Abweichung dazu hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 14.12.1993 zum 31.12.1993 gekündigt.
§ 17 Ziff. 1 und 2 MTV hat folgenden Wortlaut:
„Kündigung und Probezeit
1. Die von jeder Seite einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt 2 Wochen, nach einer Betriebszugehörigkeit
von 5 Jahren |
3 Wochen |
von 10 Jahren |
4 Wochen und |
von 15 Jahren |
6 Wochen. |
Die Kündigung kann nur auf das Ende einer Kalenderwoche erklärt werden.
2. Kündigt der Arbeitgeber, so gelten für ihn zusätzlich die Bestimmungen des § 622 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Erläuterungen:
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB lautet:
‚Hat das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen fünf Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende; hat es zehn Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf zwei Monate zum Monatsende; hat es zwanzig Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf drei Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres; bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt.’”
Diese „Erläuterungen” sind durch die Fassung des MTV vom 05.11.1992 eingefügt worden. Im Anschluß an § 17 Ziff. 2 MTV vom 23.01.1973 waren die nämlichen „Erläuterungen” aufgeführt mit Ausnahme dessen, daß es statt „fünfundzwanzigsten Lebensjahres” „fünfunddreißigsten Lebensjahres” hieß.
Mit der bei Gericht am 27.12.1993 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 14.12.1993. Nach anfänglichem Bestreiten des behaupteten Wegfalls seines Arbeitsplatzes und der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung rügt der Kläger die getroffene Sozialauswahl. Er trägt vor, er kenne nicht die Arbeitnehmer, die in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Mangels Vorliegens der Liste sämtlicher Beschäftigter sei er außerstande, Mängel in der getroffenen Sozialauswahl zu begründen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.12.1993 am 31.12.1993 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, nach Wegfall des Arbeitspla...