Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung muss das Änderungsangebot des Arbeitgebers durch dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sein und es muss sich darauf beschränken, nur solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
2. Bei einer vom Arbeitgeber erstrebten Änderung von Tätigkeit und Vergütung muss die soziale Rechtfertigung sich grundsätzlich auf beide Änderungsbestandteile beziehen. Eine Vergütungsänderung muss nur dann nicht selbstständig gerechtfertigt sein, wenn sich die Höhe der Vergütung aus einem anwendbaren Vergütungssystem ergibt.
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 10.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 280/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom10.10.2003 – 10 Ca 280/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit einer am 30.04.2003 erhobenen Klage wehrt sich der seit 01.09.1990 bei der Beklagten als Abteilungsleiter Elektro in der Filiale D.-H.-Zentrum in H. zu einem monatlichen Bruttogehalt von ca. 3.000,– EUR beschäftigte 34-jährige verheiratete Kläger gegen eine aus betriebsbedingten Gründen zum 30.09.2003 ausgesprochene Änderungskündigung.
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen mit mehr als 90 Filialen, welches bundesweit insbesondere Unterhaltungselektronik, Computer sowie Artikel der Tele- und Bürokommunikation vertreibt. Hintergrund der in Streit stehenden Änderungskündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsgeschäfte, die aus wirtschaftlichen Gründen wegen andauernder Verluste seit 2001 von Fachhandelsgeschäften in reine Abverkaufsstellen umgestaltet werden. Künftig sollen den Kunden ein deutlich verringertes Warensortiment grundsätzlich ohne fachliche Beratung zum Kauf angeboten werden. Durchschnittlich sollen in einer Filiale noch ein Marktleiter und eine reduzierte Anzahl nachgeordneter, alle anfallenden Tätigkeiten wie Kasse, Nachfüllen der Ware, Entgegennahme von Reklamationen sowie Lagertätigkeit wahrnehmenden Mitarbeiter tätig sein. Der durch diese grundlegende Änderung der Betriebsstrukturen bedingte Wegfall der bisherigen Arbeitsplätze führte unter Berücksichtigung sozialer Auswahl zu Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen. Zu diesem Zweck schloss die Beklagte mit dem für die Regionen Süd und Südwest zuständigen Betriebsrat am 13.02.2003 eine Interessenausgleich- und Auswahlrichtlinie beinhaltende Vereinbarung.
Der Kläger hat das Änderungsangebot nicht angenommen und mit seiner Klage die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 19.04.2003 geltend gemacht. Die Entscheidung der Beklagten sei willkürlich und im Einzelhandel nicht durchsetzbar. Der dem Kläger angebotene Änderungsvertrag beinhalte durch die Maßnahme nicht bedingte Verschlechterungen in vielfältiger Art, wie Verdienstkürzung unterhalb des tariflichen Niveau's, Wegfall der Tarifgeltung u. a. bei Kündigungsbeschränkung älterer Arbeitnehmer und Reduzierung der Zuschläge und Urlaubsvergütungen. Im übrigen sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden, da ihm keine Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Bedingungen durch die Änderungskündigung mitgeteilt worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Änderungskündigung der Beklagten nicht aufgelöst sei. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, dass der Betriebsrat mangels Vorlage der maßgeblichen Unterlagen nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Es sei nicht dargelegt, welche der Tätigkeiten des Klägers und in welchem Umfange zukünftig entfielen oder von anderen Arbeitnehmern miterledigt werden könnten. Es könne daher nicht von dringenden betieblichen Erfordernissen ausgegangen werden, die das Änderungsangebot der Beklagten bedingt hätten. Im übrigen habe die Beklagte Änderungen vorgeschlagen, die der Kläger billigerweise im Rahmen einer Änderungskündigung nicht habe hinnehmen müssen. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 10.10.2003 verwiesen.
Gegen das am 19.02.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.03.2004 Berufung eingelegt und diese am 14.04.2004 begründet. Der Betriebsrat sei unter Vorlage der maßgeblichen Unterlagen ordnungsgemäß informiert worden. Die weitere Argumentation des Arbeitsgerichts stelle eine Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung dar, in dem es die Vernünftigkeit der getroffenen Maßnahme in Zweifel ziehe. Die Beklagte habe jedoch stets vorgetragen, dass durch die getroffene unternehmerische Entscheidung nicht eine reine Personalreduzierung vorgenommen worden sei, sondern die neue Filialstruktur zu einem Wegfall aller Arbeitsplätze mit Ausnahme des Marktleiters geführt habe. Deshalb sei in der Filiale des...