Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des TVöD für Mitglied des Marburger Bundes. Prinzip der Tarifeinheit
Leitsatz (amtlich)
Das Prinzip der Tarifeinheit führt nicht dazu, dass in einem Arbeitsverhältnis, auf das kraft beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft der BAT Anwendung findet, nach Inkrafttreten des TVöD dieser gilt, obschon der Arbeitnehmer Mitglied des Marburger Bundes ist, der den TVöD (zunächst) nicht abgeschlossen hat. In einer solchen Konstellation ist eine Verdrängung bestehender Bindungen an den BAT nach dem Prinzip der Tarifeinheit wegen Unvereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG abzulehnen.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 31.07.2007; Aktenzeichen 12 Ca 120/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 31.07.2007 – 12 Ca 120/07 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für den im Zeitraum vom 15. bis 31.10.2005 genommenen Urlaub Vergütung nach § 47 Abs. 2 BAT (Aufschlag zur Urlaubsvergütung) beanspruchen kann.
Der Kläger war vom 01.08.2000 bis 31.12.2007 als Arzt in der Weiterbildung in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus beschäftigt. Der Kläger ist seit dem 01.01.2000 Mitglied des Marburger Bundes. Die Beklagte gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband an.
§ 2 des im Streitfall interessierenden schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12.03.2004 lautet u. a.:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Ausserdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung …”
Die Beteiligung des Marburger Bundes an den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst hatte sich in der Vergangenheit verschiedenartig gestaltet. Während vormals eine Zugehörigkeit zu einer Tarifgemeinschaft der am Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst beteiligten Gewerkschaften bestand, wurde unter dem 11.11.1994 mit der DAG eine Vereinbarung über eine tarifvertragliche Zusammenarbeit abgeschlossen. Diese lautet u. a.:
„Die DAG wird bis auf Widerruf bevollmächtigt, mit dem Bund, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände auf dem Tarifsektor Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen für den Marburger Bund vorzunehmen…”
Als Anlage zu dieser Vereinbarung war eine Vollmacht erteilt worden, die, soweit vorliegend von Interesse, lautet: „… Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft ist insbesondere bevollmächtigt, mit bindender Wirkung für den Marburger Bund Tarifforderungen zu erheben, Tarifverhandlungen zu führen, Tarifverträge abzuschließen und solche zu kündigen …”
Auf dieser Grundlage erfolgten Tarifabschlüsse mit Wirkung für/gegen den Marburger Bund nicht nur durch die DAG, sondern auch durch deren Rechtsnachfolgerin, die Gewerkschaft ver.di.
Im Zusammenhang der Verhandlungen über die Neuregelung des Tarifrechtes des öffentlichen Dienstes, mit Schreiben vom 10.09.2005 und mithin kurz vor Unterzeichnung des TVöD am 13.09.2005, widerrief der Marburger Bund gegenüber ver.di die erteilte Vollmacht. Gleichzeitig wurde die VKA zu Tarifverhandlungen über einen arztspezifischen Tarifvertrag aufgefordert. Der BAT wurde mit Schreiben vom 21.12.2005 zum 31.12.2005 gekündigt.
Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger den Standpunkt vertreten, für diesen seien mit Wirkung ab 01.10.2005 die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Bestimmungen des TVöD/TVÜ-VKA massgeblich. Dieses habe für die Berechnung der Urlaubsvergütung des Klägers im streitigen Zeitraum vom 15. bis 31.10.2005 zur Folge, dass der Kläger so zu behandeln sei als sei er ab 01.10.2005 neu angestellt worden.
Der Kläger seinerseits hat eine Bindung an die ab 01.10.2005 neu in Kraft getretenen tariflichen Regelungen bestritten und geltend gemacht, der Kläger habe als Mitglied des Marburger Bundes die Urlaubsvergütung gem. § 47 Abs. 2 BAT zu beanspruchen, weshalb die Beklagte über die gewährte Vergütung hinaus zur Zahlung des Urlaubszuschlages in – dem Betrage nach unstreitiger – Höhe von Euro 628,76 brutto verpflichtet sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Für die Parteien habe bis zum 31.12.2005 kraft beiderseitiger Tarifbindung der BAT gegolten. Zwar habe sich für den Krankenhausbetrieb der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.10.2005, mit Inkrafttreten des TVöD, eine sog. Tarifpluralität ergeben. Das Nebeneinander von BAT und TVöD könne aber entgegen der Argumentation der Beklagten nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Tarifeinheit aufgelöst werden dergestalt, dass die Gel...