Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungekürzte tarifliche Sonderzahlung bei Ausscheiden vor dem Auszahlungsstichtag wegen Erreichens der Altersgrenze
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung von § 2, 2.6 TVSoZa: Scheidet ein Arbeitnehmer wegen Bezugs der Regel-Altersrente aus dem Arbeitsverhältnis unterjährig aus, hat er einen Anspruch auf die volle betriebliche Sonderzahlung (so BAG, 10 AZR 208/91; abweichend von BAG, 10 AZR 630/04).
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; TV Soziale Absicherung § 2 Nr. 2.6 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.08.2012; Aktenzeichen 13 Ca 548/11) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 16.08.2012, Az. 13 Ca 548/11 abgeändert:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.674,88 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.12.2011 zu zahlen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung über die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag über die Absicherung betriebliche Sonderzahlung für Beschäftigte der Metallindustrie Südwest vom 11.12.1996 (TV SoZa) hat.
Die Klägerin war seit dem 1.12.1992 bei der Beklagten als Montiererin, seit dem 1.4.1999 als kaufmännische Angestellte auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1.2.1999 beschäftigt. Ihre Vergütung betrug zuletzt Euro 2791,14 brutto. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge der Elektro-Metallindustrie Südwürttemberg/Hohenzollern Anwendung.
In § 2 des Arbeitsvertrages ist geregelt:
"2. Vertragsdauer/Kündigung
Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter die gesetzliche Altersrente erreicht hat."
Die am 00.00.1946 geborene Klägerin schied infolge dieser Regelung am 30.9.2011 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezieht seitdem die gesetzliche Regelaltersrente.
Sie verlangt von der Beklagten auch für 2011, dem Jahr des Ausscheidens die ungekürzte betriebliche Sonderzahlung.
Der TV SoZa enthält folgende Regelung:
"§ 2
Sonderzahlungen
2.1 Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, haben im Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen.
Ausgenommen sind die Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben.
...
2.6 Anspruchsberechtigte Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine Leistung; ruht das Arbeitsfeld im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.
Anspruchsberechtigte Beschäftigte, die wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichen der Altersgrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden, erhalten die volle Leistung.
§ 3
Zeitpunkt
3.1 Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.
3.2 Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2.1 der 1. Dezember."
Unter Berufung auf § 2, 2.6 TV betriebliche Sonderzahlung lehnte die Beklagte die Leistung einer Sonderzahlung für das Jahr 2011 ab und begründete dies damit, die Klägerin sei, da ja
das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag nicht mehr bestanden habe keine anspruchsberechtigte Arbeitnehmerin im Sinne des § 2 2.6. TV SoZa.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1674,88 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 2.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.8.2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vertragliche Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Ablauf des Monats, in dem sie die gesetzliche Altersgrenze erreicht hat endet, sei wirksam. Daher sei das Arbeitsverhältnis am 30.9.2011 beendet gewesen. Daher habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Leistung der betrieblichen Sonderzahlung, da sie zum Auszahlungstag am 1. Dezember des Jahres nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Sie könne sich auch nicht auf § 2 2.6 Abs. 2 TV SoZa berufen, weil dieser voraussetze, dass die Klägerin grundsätzlich anspruchsberechtigt sein müsse. Das sei sie jedoch nicht, da ihr Arbeitsverhältnis am Stichtag nicht mehr bestanden habe.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 4.9.2012 zugestellt. Hiergegen legten sie fristgerecht am 26.09.2012 Berufung ein, die sie innerhalb der aufgrund fristgerechten Verlängeru...