Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung einer bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle im Rahmen einer Insolvenz bei Eintritt des Pensions-Sicherungs-Vereins
Leitsatz (amtlich)
Der im Insolvenzfall bei Eintritt des Pensions-Sicherungs-Vereins gemäß §§ 45, 46 InsO zu ermittelnde Kapitalabfindungsbetrag unterliegt der 30-jährigen Verjährung gemäß § 18a Satz 1 BetrAVG.
Normenkette
BetrAVG § 9 Abs. 2 S. 1 und 3, § 18a; InsO § 41 Abs. 1, § 45 S. 1, § 46 S. 2, §§ 45-46; BetrAVG § 18a S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 14.06.2023; Aktenzeichen 30 Ca 399/23) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.06.2023 (30 Ca 399/23) wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Feststellung einer vom Beklagten bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle.
Der Kläger ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 14 Abs. 1 BetrAVG.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. M. GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts E. vom 28. Januar 2010 (3 IN 476/09) eröffnet.
Die Schuldnerin hatte ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen erteilt in Form von unmittelbaren Versorgungszusagen, beruhend auf den Versorgungsrichtlinien der N. E. A. G..
Der Kläger meldete mit Schreiben vom 3. März 2010, 28. November 2013 und 16. November 2016 Forderungen iHv. zuletzt insgesamt 152.789,00 Euro an, welche der Beklagte unter Nr. 7 und Nr. 31 zur Tabelle feststellte. Der letzten Anmeldung vom 16. November 2016 fügte der Kläger ein versicherungsmathematisches Gutachten bei, welches bei der gebotenen Abzinsung der zu kapitalisierenden Betriebsrentenansprüche einen Rechnungszinssatz von 5,5 Prozent zugrunde legte.
Nachdem das BAG mit Urteil vom 18. Mai 2021 (3 AZR 317/20) entschied, dass bei der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen der gesetzliche Zinssatz von 4 Prozent (statt 5,5 Prozent) anzuwenden sei, erstellte der Kläger ein erneutes versicherungsmathematisches Gutachten und meldete mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 einen weiteren (Differenz-) Betrag iHv. 24.283,00 Euro zur Tabelle an. Diese Forderung bestritt der Beklagte im besonderen Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren am 15. Februar 2023. Er erhob die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den ausführlichen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14. Juni 2023 die weitere Forderung iHv. 24.283,00 Euro zur Tabelle festgestellt. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass der umgewandelte Kapitalabfindungsanspruch der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 18a Satz 1 BetrAVG unterfalle, weshalb die streitige nachgemeldete Forderung noch nicht verjährt sei.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 3. Juli 2023 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Beklagten, die am 10. Juli 2023 beim Landesarbeitsgericht einging und zugleich begründet wurde.
Der Beklagte hält das Urteil für rechtsfehlerhaft.
Er meint weiterhin, dass der geltend gemachte Anspruch der kurzen dreijährigen Verjährung unterfalle.
Der Beklagte beantragt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.06.2023, AZ: 30 Ca 399/23, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und ist weiterhin der Auffassung, dass die 30-jährige Verjährungsfrist greife.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
I.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der nachgemeldete Betrag von 24.283,00 Euro zur Tabelle festgestellt wird gemäß §§ 179 Abs. 1, 180, 38 InsO. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Dass dem Kläger aus gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG übergegangenem Recht ein begründeter Vermögensanspruch zusteht, ist sowohl hinsichtlich Anspruchsgrund als auch bezogen auf die Anspruchshöhe (weitere 24.283,00 Euro) zwischen den Parteien unstreitig.
2. Der Anspruch ist noch nicht verjährt.
a) Die Verjährung von Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung ist geregelt in § 18a BetrAVG. Nach dessen Satz 1 verjähren "Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung" in 30 Jahren. Gemeint ist hiermit das sogenannte ...