Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung. Gehaltsreduzierung nach Umstrukturierung eines Einzelhandelsunternehmens. Unternehmerentscheidung. Änderungsangebot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

2. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine gleichwertige Tätigkeit zu einem geringeren Gehalt an, so kann er sich nicht allein darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den er aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der nunmehr verfügbare Arbeitsplatz neu ist, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 27.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 300/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2005; Aktenzeichen 2 AZR 625/04)

 

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim (HD) vom 27.10.2003 – 10 Ca 300/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe folgender Neufassung des Urteilstenors:

Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 19.04.2003 rechtsunwirksam ist.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 31.07.2003 wirksam werden soll.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Der Kläger, geboren am 01.11.1967, ist seit dem 16.09.1996 bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin – in der Filiale D. H. C. (H. – DHC) beschäftigt. Als Verkäufer in der Abteilung Tonträger bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttogehalt i. H. von ca. EUR 2.000,00, wobei die tarifliche Einstufung nach Gruppe II/6 erfolgen sollte (vgl. hierzu auch die schriftliche Betriebsratsanhörung vom 09.04.2003, die das Tarifgehalt i. H. von EUR 1.915,00 brutto erwähnt).

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag (vgl. i. E Abl. 59 ff) beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 31.07.2003 aus. Das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot sieht u. a. eine Vergütung i. H. von monatlich EUR 1.650,00 brutto vor.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale H. – DHC zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 9 ff).

Der Kläger hat das ihm gemachte Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen. Er hat bereits beim Arbeitsgericht sowohl die durchgeführte Betriebsratsanhörung bemängelt als auch die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 19.04.2003 geltend gemacht. U. a. hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass es entgegen der Behauptung der Beklagten nicht zu einer Umsetzung des neuen unternehmerischen Konzeptes gekommen sei. Der Kläger könne ohne weiteres als Verkäufer in der Tonträgerabteilung weiter beschäftigt werden, was nach dem 31.07.2003 tatsächlich auch praktiziert werde. Auch sei die nur auf die Beschäftigungsfiliale bezogene Sozialauswahl fehlerhaft.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst sei. Zur Begründung ist ausgeführt, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß. Die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt, weil nicht ersichtlich sei, dass der Arbeitsplatz des Klägers tatsächlich mit Ablauf der K...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?