Rechtsmittel eingelegt: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum „Betriebsbegriff” i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG in der öffentlichen Verwaltung
Leitsatz (amtlich)
Die Sozialauswahl unter Arbeitnehmern in der öffentlichen Verwaltung erstreckt sich nicht lediglich auf die in einer Abteilung oder Unterabteilung tätigen vergleichbaren Arbeitnehmer, sondern vielmehr auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer, die in der organisatorischen Verwaltungseinheit im Sinne des Betriebsbegriffes des Kündigungsschutzgesetzes beschäftigt sind. Maßgebend bestimmt wird der Betriebsbegriff in der öffentlichen Verwaltung von der Dienststelle als organisatorische Einheit, die insbesondere durch einen einheitlichen Leitungsapparat gekennzeichnet wird (im Anschluß an BAG Urt. v. 25.09.1956 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.10.1997; Aktenzeichen 3 Ca 245/97) |
Tenor
1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 09.10.97 – 3 Ca 245/97 – wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der betriebsbedingt erklärten Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 09.04.1997 zum 30.06.1997.
Der verheiratete, zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige, am 27.11.1954 geborene Kläger ist graduierter Ingenieur (FH) der Fachrichtung Tiefbau und Dipl.-Volkswirt. Er war seit 15.09.1992 als technischer Angestellter mit einer Vergütung nach BAT II a, mit einer Zulage in Höhe einer Vorweggewährung auf höhere Lebensaltersstufen, befristet nach Maßgabe der SR 2y BAT für Aufgaben von begrenzter Dauer, eingestellt. Als Aufgabe von begrenzter Dauer haben die Parteien im Arbeitsvertrag angegeben „ZBWB-Entwicklung von Kostenplanungs-Verfahren für ISYBAU”. Am 19.08.1996 hat das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwissen und Städtebau den Ländern mitgeteilt, daß der Bund das von ihm finanzierte Projekt ISYBAU nicht länger fortführe und die Arbeiten eingestellt werden mögen. Das beklagte Land hat dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 30.08.1996 mitgeteilt, daß auch das Land das Projekt nicht fortführe und der Arbeitsvertrag am 30.09.1996 ende. Gegen die Beendigung aufgrund der Zweckbefristung und Beendigung des Projektes hat der Kläger im Verfahren 3 Ca 514/96 Klage geführt und mit Urteil vom 27.02.1997 erstinstanzlich obsiegt. Das Urteil ist zwischenzeitlich nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 14.05.1998 (LAG Bad.-Württ. 11 Sa 105/97) rechtskräftig. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Freiburg vom 27.02.1997 in dem beigezogenen Verfahren Az.: 3 Ca 514/96 und die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 14.05.1998 Bezug genommen. Wenige Tage nach Verkündung des Urteils hat das beklagte Land mit Schreiben vom 07.03.1997 den Personalrat über die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Klägers zum 30.06.1997 aus dringenden betrieblichen Gründen angehört (ABl. 67–72).
Von der vollständigen Darstellung des Sachverhaltes wird im übrigen unter Hinweis auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 09.10.1997 (ABl. 242 ff.) gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage vollständig und im Weiterbeschäftigungsanspruch im wesentlichen Kern durch Urteil vom 09.10.1997 entsprochen und dies damit begründet, daß die Beklagte die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG fehlerhaft vorgenommen habe, da sie sich nur auf das „Referat ZBWB” erstreckt habe. Bei diesem Referat handele es sich jedoch nicht um die „Dienststelle” im Sinne des behördlichen Betriebsbegriffes, der nach § 1 Abs. 3 des KSchG zugrundezulegen sei.
Das beklagte Land hat gegen das am 31.10.1997 (Fr.) zugestellte Urteil am 01.12.1997 (Mo.) Berufung eingelegt und diese, nachdem die Begründungsfrist am 12.12.1997 bis 02.02.1998 verlängert worden war, am 02.02.1998 begründet.
Das beklagte Land wiederholt zunächst seinen Berufungsvortrag aus dem Rechtsstreit 3 Ca 514/96 (11 Sa 105/97), wonach seiner Ansicht nach das Arbeitsverhältnis wirksam aufgrund der Zweckbefristung sein Ende gefunden habe.
Darüber hinaus trägt es „lediglich hilfsweise” vor, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der streitbefangenen betriebsbedingten Kündigung am 30.06.1997 geendet habe, da das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen habe, daß diese Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes seien in die Sozialauswahl nur diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die innerhalb des Betriebes oder der Dienststelle miteinander verglichen werden könnten. Dem Kläger vergleichbare Mitarbeiter seien aber nur in der ZBWB als Stabsstelle der Landesvermögens- und Bauabteilungen Arbeitnehmer beschäftigt, die mit dem Kläger vergleichbar sein könnten. Arbeitsplätze mit identischen, vergleichbaren oder ähnlichen Aufgabenbereichen, wie denen, die der Kläger wahrgenommen hat, seien im Bereich der OFD außerhalb der ZBWB nicht vorhand...