Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsverfassungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch im Falle der Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt der Insolvenzverwalter ein anhängiges arbeitsgerichtliches Beschluss-verfahren auf, in dem sich der Betriebsrat durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt, so ist der Kostenerstattungsanspruch des Betriebsrats bzw. – nach Abtretung – der Zahlungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats eine Massenverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Gebührentatbestände in bezug auf die Honorarforderung des Verfahrensbevollmächtigten vor oder nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind.

 

Normenkette

BVG § 40; InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 18.03.2004; Aktenzeichen 4 BV 1692/04)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 17.08.2005; Aktenzeichen 7 ABR 56/04)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. März 2004 – 4 BV 1692/04 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsteller, dem Beteiligten zu 1), ein Anspruch auf Erstattung derjenigen Gebühren gegen den Beteiligten zu 2) als Masseverbindlichkeit oder als einfache Insolvenzforderung zusteht, die infolge seiner Verfahrensbevollmächtigung in einem vorangegangenen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, eingeleitet durch die jetzige Insolvenzschuldnerin, die D. Einrichtungen GmbH & Co. KG, entstanden sind.

Der Beteiligte zu 1) vertrat den Betriebsrat im vormaligen Beschlussverfahren (Arbeitsgericht Berlin 4 BV 34226/02); es ging um die Wirksamkeit einer bei der Insolvenzschuldnerin am 22. November 2002 durchgeführten Betriebsratswahl, bei der der Wahlvorstand am 25. November 2002 drei Mitglieder als gewählt feststellte. Die Insolvenzschuldnerin, anwaltlich vertreten, begehrte die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl, hilfsweise focht sie die Wahl an. Der Betriebsrat beschloss am 17. Dezember 2002, sich in diesem Verfahren durch den jetzigen Beteiligten zu 1) vertreten zu lassen. Im Januar 2003 fand dazu ein Anhörungs-Gütetermin vor dem Arbeitsgericht statt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin am 01. Mai 2003 nahm der Beteiligte zu 2) als Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 06. Mai 2003 das Verfahren auf. Durch Beschluss vom 21. August 2003 wies das Arbeitsgericht den auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Antrag ab, gab aber dem Wahlanfechtungsantrag statt. Diese Entscheidung wurde am 16. November 2003 rechtskräftig.

Im Zusammenhang mit der Insolvenzeröffnung schieden bis auf das nachgerückte Ersatzmitglied, Frau S. S., sämtliche Betriebsratsmitglieder aus dem Arbeitsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin aus. Dieses Betriebsratsmitglied trat mit Schreiben vom 10. November 2003 den betriebsverfassungsrechtlichen Freistellungsanspruch des Betriebsrats aus der anwaltlichen Vertretung durch den Beteiligten zu 1) im bezeichneten Verfahren in Höhe des mit der Rechnung geltend gemachten Betrages von 979,04 EUR gemäß § 40 Abs. 1 BVG an diesen ab. Diesen Anspruch machte der Beteiligte zu 1) gegenüber dem Beteiligten zu 2) unter dem 21. Oktober 2003 geltend.

Der Beteiligte zu 2) hat eingewandt, soweit überhaupt dem Betriebsrat aufgrund des damaligen Beschlussverfahrens ein Freistellungsanspruch erwachsen sei und er diesen Anspruch rechtswirksam auf den Beteiligten zu 1) übertragen habe, sei dieser Anspruch lediglich eine Insolvenzforderung.

Hinsichtlich des weiteren Tatbestandes erster Instanz wird auf denjenigen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Nach Überleitung der Sache in das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 23. Februar 2004 dem Antrag des Beteiligten zu 1),

den Beteiligten zu 2) zu verurteilen, an den Beteiligten zu 1) 979,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

stattgegeben. Dem Beteiligten zu 1) stehe der mit dem Antrag verfolgte Anspruch als Masseforderung zu. Denn der Kostenerstattungsanspruch sei durch die Verfahrensvertretung des Beteiligten zu 1) im Vorverfahren begründet worden; der Betriebsrat habe schon aus Gründen der Waffengleichheit einen Rechtsanwalt hinzuziehen dürfen; seine Rechtsverteidigung sei auch nicht aussichtslos gewesen. Der Freistellungsanspruch sei durch die Beendigung des Betriebsratsamts nicht erloschen und rechtswirksam an den Beteiligten zu 1) abgetreten worden, da das Betriebsratsmitglied S. zu dieser Zeit das allein noch amtierende Mitglied gewesen sei. Die Forderung sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Masseverbindlichkeit. Es seien dazu diejenigen Grundsätze heranzuziehen, die der herrschenden Meinung im insolvenzrechtlichen Schrifttum entsprächen. Danach sei der aufgrund einer nach Aufnahme durch den Insolvenzverwalter gegen diesen ergangenen Kostenentscheidung entstandene Kostenerstattungsanspru...

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