Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebliche Gründe für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (amtlich)
Nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG erfordert die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, daß die Partei erhebliche Gründe darlegt, die sie an einer rechtzeitigen Begründung hindern, wofür eine bloß schlagwortartige Bezeichnung wie etwa Arbeitsüberlastung nicht genügt. Das Vertrauen des Prozeßbevollmächtigen, auf eine bloß schlagwortartige Begründung die beantragte Fristverlängerung gewährt zu bekommen, vermag eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu tragen.
Normenkette
ZPO § 66 Abs. 1 S. 4, § 233
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 22.09.1989; Aktenzeichen 50 Ca 77/88) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. September 1989 – 50 Ca 77/88 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
1.
Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Urteil von 22. September 1989 festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten von 12. August 1988 nicht zum 30. September 1988 aufgelöst worden tat, sondern unbefristet fortbesteht, und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 47.300,– DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 22. September 1989 zu zahlen.
Gegen dieses Ihr am 10. Oktober 1989 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. November 1989 eingelegte Berufung der Beklagten. Ihr am 11. Dezember 1989, einem Montag, eingegangener Antrag, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 11. Januar 1990 zu verlängern, weil dem die Sache ausschließlich allein bearbeitenden Rechtsanwalt eine fristgemäße Begründung wegen Arbeitsüberlastung nicht möglich sei, hat der Vorsitzende durch am 5. Januar 1990 zugestellten Beschluß vom 29. Dezember 1989 mit der Begründung zurückgewiesen, ein solch pauschaler Hinweis lasse keinen erheblichen Grund Im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG erkennen, dazu hätte es vielmehr entsprechend der weit überwiegenden Praxis der Kammern des LAG Berlin näherer Angaben bedurft. Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 9. Januar 1990, bei Gericht eingegangen am 11. Januar 1990, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die auf den 8. Januar 1990 datierte Berufungsbegründung überreicht. Sie führt an, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsfrist zum einen wegen der zum Jahresende naturgemäß großen Belastung und Überlastung im Notariats- und Anwaltsbereich unverschuldet versäumt. Zum anderen habe ihr Prozeßbevollmächtigter angesichts der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und der Arbeitsgerichte Berlins davon ausgehen dürfen, daß eine noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beantragte Fristverlängerung regelmäßig gewährt würde. Zumindest sei sein Vertrauen entschuldigt. Der im Zurückweisungsbeschluß angesprochene Beschleunigungsgrundsatz des § 9 ArbGG diene vor allem dem Interesse der Arbeitnehmer, hier also des Klägers und Berufungsbeklagten. Dieser werde jedoch durch eine kurzfristige Verlegung des Berufungsverfahrens in seinen Interessen nicht tangiert, da er das Gehalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung in voller Höhe weiterbeziehe. Mit am 12. Januar 1990 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Beklagte noch ergänzend vorgebracht, das Vertrauen ihres Prozeßbevollmächtigten auf eine Fristverlängerung sei auch deshalb entschuldigt, weil der Kläger einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes des angefochtenen Urteils gestellt habe, wofür das Arbeitsgericht Berlin auf den 19. Dezember 1989 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt habe. Die im Zurückweisungsbeschluß vom 29. Dezember 1989 erwähnte „weit überwiegende Praxis der Kammern des LAG Berlin” sei ihm nicht bekannt. Sämtliche Angaben hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eidesstattlich versichert.
Die Berufungsbegründung der Beklagten enthält die Anträge,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. September 1989 – 50 Ca 77/88 – die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Arbeitsverhältnis aufzulösen und sie zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.
Der Kläger hat angekündigt,
Zurückweisung der Berufung zu beantragen.
2.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten war gemäß § 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgemäß begründet worden ist.
Da die Berufung der Beklagten an 10. November 1989 eingelegt worden ist, hätte sie mangels Verlängerung innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 222 Abs. 2, 519 Abs. 2 Satz 2 Ha. 2 ZPO bis zum Montag, dem 11. Dezember 1989 begründet werden müssen. Tatsächlich ist die Berufungsbegründung jedoch erst am 11. Januar 1990 eingereicht worden.
Der Beklagten konnte auf ihren gemäß §§ 234 Abs. 1 und 2, 236 Abs. 2 ZPO fristgemäß und formgerecht gestellt...