Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert eines Vergleichs über die Beendigung des Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisses in einem Abmahnungsrechtsstreit
Leitsatz (amtlich)
1. Einigen sich die Parteien in einem Abmahnungsrechtsstreit auf die Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses, führt dies zu einem Vergleichsmehrwert, wenn aufgrund objektiver Umstände anzunehmen ist, dass ohne die Einigung eine der Parteien das Rechtsverhältnis beenden oder seinen rechtlichen Bestand in Frage stellen wird.
2. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich führt nicht zu einer Ermäßigung der Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV.
Normenkette
VV-RVG Nrn. 1000, 1003
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 13.04.2016; Aktenzeichen 5 Ca 74/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 13.04.2016 - 5 Ca 74/16 - geändert:
Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 24.02.2016 teilweise geändert und eine weitere aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung von 82,11 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagte im Ausgangsverfahren auf Zahlung von rückständiger Ausbildungsvergütung, auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie auf Entfernung einer Abmahnung in Anspruch genommen, wobei er Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragte. Die Parteien legten den Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich vom 19.02.2016 bei; sie einigten sich dabei u.a. auf die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses, eine Freistellung des Klägers von der betrieblichen Ausbildung, die Erteilung eines Endzeugnisses und die Herausgabe von Arbeitsmitteln. Vor der Genehmigung des protokollierten Vergleichs beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers "die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung auch für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs." Das Gericht teilte den Parteien mit, es sei beabsichtigt, den Verfahrenswert auf 2.911,79 EUR und den Vergleichsmehrwert auf insgesamt 850,15 EUR festzusetzen; eine Wertfestsetzung erfolgte nicht.
Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 19.02.2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ab dem 01.02.2016 "auch für den Mehrwert des abgeschlossenen Vergleichs". Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.152,75 EUR. Der Rechtspfleger setzte eine Vergütung in Höhe von 1.070,64 EUR fest, wobei er u.a. lediglich eine 1,0 Einigungsgebühr, berechnet nach einem Wert von 3.761,94 EUR, berücksichtigte. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers wies das Arbeitsgericht Cottbus durch Beschluss vom 13.04.2016 mit der Begründung zurück, die Einigungsgebühr habe sich wegen des Prozesskostenhilfeverfahrens nach Nr. 1003 RVG-VV auf 1,0 ermäßigt; es hat die Beschwerde gegen diese Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen diesen ihm am 28.04.2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02.05.2016 eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der er seinen Vergütungsansatz weiter verfolgt. Der Bezirksrevisor bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist der Beschwerde mit der Auffassung entgegengetreten, der Verfahrenswert betrage 3.246,19 EUR, was zu einem Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse in Höhe von 1.073,38 EUR führe; ein Vergleichsmehrwert sei nicht entstanden.
II.
Die nach § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Satz 2, 3, Abs. 7 RVG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen die Landeskasse gemäß § 45 RVG einen Vergütungsanspruch von jedenfalls 1.152,75 EUR, so dass unter Änderung des angefochtenen Beschlusses und des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses eine weitere Vergütung von 82,11 EUR festzusetzen war.
1. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht eine 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV), eine 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) sowie eine 1,0 Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 RVG-VV) zu, die sich nach einem Wert von 3.246,19 EUR berechnen. Dabei sind die bezifferten Klageanträge zu 2., 3., 5. und 7. bis 10. in Höhe des jeweils geltend gemachten Betrags zu bewerten, was einen Wert von insgesamt 1.908,59 EUR ergibt. Den Klagen auf Entfernung der Abmahnung vom 11.01.2016 und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses kommt ein Wert von jeweils 668,80 EUR - einer Bruttomonatsvergütung des Klägers - zu, was einen weiteren Wertansatz von 1.337,60 EUR ergibt.
2. Der Prozessbevollmächtigten kann ferner eine 1,5 Einigungsgebühr (Nr. 1000 RVG-VV) nach einem Wert von 2.006,40 EUR - dem Vierteljahresverdienst des Klägers - verlangen.
a) Das Arbeitsgericht hat einen Vergleichsmehrwert nicht festgesetzt; die zu Protokoll gegebene Wertabsichtserklärung, wonach lediglich ein Vergleichs-mehrwert von 850,15 EUR entstanden sein soll, entfaltet keine rechtliche Bindung ...