Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des auch für den Abschluss eines Mehrvergleichs beigeordneten Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Wird der Rechtsanwalt auch für den Abschluss eines Mehrvergleichs beigeordnet, sind ihm aus der Landeskasse neben der Einigungsgebühr auch die Verfahrensdifferenzgebühr und die erhöhteTermingebühr zu erstatten.
Normenkette
RVG §§ 48, 48 Abs. 1; VV-RVG Nr. 1000; VV-TVG Nr. 1003; VV-RVG Nr. 3101 Nr. 2, Nr. 3104; ZPO § 118 Abs. 1 S. 3, § 121
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 21.11.2017; Aktenzeichen 6 Ca 620/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 21.11.2017 - 6 Ca 620/17 - geändert:
Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 11.10.2017 - 6 Ca 620/17 - teilweise geändert und eine anwaltliche Vergütung von insgesamt 793,97 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann als im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt die in seinem Festsetzungsantrag genannte Vergütung verlangen.
1. Die gegen die Landeskasse gerichteten Vergütungsansprüche des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestimmen sich nach dem Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus 25.07.2017, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und er dem Kläger als Rechtsanwalt beigeordnet wurde (§ 48 Abs. 1 RVG). Die Bewilligung und Beiordnung bezieht sich dabei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch auf die vergleichsweise Erledigung eines zuvor nicht rechtshängigen Gegenstandes. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte in der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2017 ausdrücklich den Prozesskostenhilfeantrag auf einen Mehrvergleich erstreckt. Dem Prozesskostenhilfeantrag des Klägers hat das Arbeitsgericht durch den im Anschluss daran erfolgten Beschluss vom 25.07.2017 "in vollem Umfang" entsprochen und damit ausdrücklich eine Beiordnung auch für den Mehrvergleich angeordnet. Dass das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe nur für den Gegenstand der Klage bewilligen wollte, lässt sich dem eindeutigen Wortlaut des genannten Beschlusses nicht entnehmen. Der Beschluss enthält auch - was ohnehin nicht zulässig wäre - hinsichtlich der zu erstattenden Anwaltsgebühren keine Einschränkungen, die zu bestimmen Sache des Vergütungsfestsetzungsverfahrens ist.
2. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht wegen des abgeschlossenen Mehrvergleichs sowohl eine 0,8 Verfahrensgebühr (Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV) als auch eine 1,5 Einigungsgebühr (Nr. 1000 RVG-VV) sowie eine Terminsgebühr nach dem Wert des gesamten Gegenstands des Vergleichs (Nr. 3104 RVG-VV) zu.
a) Es ist umstritten, welche anwaltlichen Gebühren der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt bei der vergleichsweisen Erledigung zuvor nicht rechtshängiger Gegenstände in einem gerichtlichen Vergleich verlangen kann. Nach einer Auffassung (vgl. hierzu nur LAG Hamm, Beschluss vom 21.11.2016 - 14 Ta 246/16 - juris; OLG Dresden, Beschluss vom 02.02.2017 - 20 UF 1100/16 - FamRZ 2017, 993; KG, Beschluss vom 29.11.2016 - 25 WF 76/127 - juris; vgl. zudem BGH, Beschluss vom 08.06.2004 - VI ZB 49/03 - NJW 2004, 2595) kann weder die genannte Verfahrensgebühr noch die erhöhte Terminsgebühr verlangt werden, weil das Gericht hinsichtlich der nicht rechtshängigen Verfahrensgegenstände die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht überprüfen könne und bei einem Vergleichsschluss im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens (§ 118 Abs. 3 Satz 1 ZPO) ebenfalls nur eine Einigungsgebühr zu erstatten sei. Teilweise wird für das Entstehen von Verfahrens- und Terminsgebühr für die vergleichsweise Regelung nicht anhängiger Gegenstände verlangt, dass zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlich geregelten Gegenstand ein enger Zusammenhang besteht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.04.2016 - 6 WF 57/16 - FamRZ 2016, 587). Schließlich wird angenommen, dass bei einer Erweiterung der Prozesskostenhilfe auf den Abschuss eines Mehrvergleichs dem beigeordneten Rechtsanwalt sämtliche mit dem Vergleichsschluss anfallenden Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind. Dabei werden vor allem der Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe sowie die Verfahrensökonomie in den Vordergrund gestellt (vgl. insbesondere BGH, Beschluss vom 17.01.2018 - XII ZB 248/16 - juris m.w.N.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Auflage 2017, § 48 Rdnr. 160 ff., 170 ff., m.w.N. zu allen Auffassungen; vgl. auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.04.2016 - 5 Ta 118/15 - juris).
b) Die Beschwerdekammer folgt der zuletzt genannten Auffassung.
Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe soll gewährleisten, dass unbemittelte Parteien in gleicher Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie Parteien, die die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln bestreiten können. Er ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gebots einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemi...