Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit der Arbeitsergebnisse für Bestimmung von Arbeitsvorgängen. Starke Berücksichtigung des zeitlichen Ausmaßes bei Merkmal der schwierigen Tätigkeit. Vorrang des Willens der Tarifvertragsparteien vor dem der Rechtsprechung. Serviceeinheiten bei Geschäftsstellentätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeiten als Beschäftigte in einer Serviceeinheit eines Gerichts stellen nur einen Arbeitsvorgang dar, da die anfallenden Aufgaben "ganzheitlich" zu bearbeiten sind.
2. Die Kombination aus einem großen Arbeitsvorgang in Verbindung mit dem Kriterium, dass schwierige Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitsvorgangs nur in einem "rechtlich nicht ganz unerheblichen Ausmaß anfallen" müssen, führt dazu, dass der Wille der Tarifvertragsparteien im Hinblick auf die typischen Tätigkeiten der Beschäftigten in Serviceeinheiten nicht ausreichend berücksichtigt wird.
3. Will man an der bisherigen Rechtsprechung nur geringfügige Veränderungen vornehmen und gleichzeitig den Willen der Tarifvertragsparteien nach einer Hierarchisierung der Vergütung bei den Beschäftigten in Serviceeinheiten berücksichtigen, dann muss von der allgemeinen Regel abgewichen werden, wonach es für eine Höhergruppierung ausreicht, dass auch innerhalb eines großen Arbeitsvorgangs der Anteil der schwierigen Tätigkeiten nur in nicht unerheblichem Umfang vorliegen braucht. Ausnahmsweise ist stattdessen zu verlangen, dass auch innerhalb des Arbeitsvorgangs das Heraushebungsmerkmal der schwierigen Tätigkeit entsprechend der prozentualen Vorgaben der Tarifvertragsparteien vorliegen muss.
Normenkette
Anwendungs-TV Land Berlin § 2 Abs. 1; Angleichungs-TV Land Berlin § 2 Abs. 1 Fassung: 2010-10-14, § 39 Abs. 1 Fassung: 2010-10-14; TVÜ-L §§ 4, 29a Abs. 2 S. 1; BAT § 22; BAT Anl. 1a Teil II Abschn. T Unterabschn. I Vergütungsgruppe Vb-Vc und Vergütungsgruppe VIb und Vergütungsgruppe VII; ArbGG § 71 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.05.2019; Aktenzeichen 56 Ca 14381/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Mai 2019 - 56 Ca 14381/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin als Beschäftigte in einer Serviceeinheit eines Gerichtes wegen einer behaupteten fehlerhaften Eingruppierung ab Februar 2018 eine höhere Vergütung hätte gezahlt werden müssen.
Nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung als Justizfachangestellte ist die Klägerin seit 01.09.2007 bei dem beklagten Land beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet gemäß § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 28.8.2008 der Anwendungs-TV des Landes Berlin vom 31.07.2003 Anwendung. In § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist ferner geregelt, dass die Parteien sich darüber einig sind, dass Tarifverträge, die das Land nach dem 01.08.2003 schließt, die zuvor genannten Arbeitsbedingungen ergänzen bzw. ersetzen. Nach erfolgreicher Bewährung erhielt die Klägerin ab dem 01.07.2010 nicht mehr eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII BAT, sondern nach der Vergütungsgruppe VIb, Fg 1b BAT.
Bis zum 31.03.2014 war die Klägerin als Beschäftigte in einer Serviceeinheit im Sachgebiet Allgemeine Strafsachen (Schöffengericht und Einzelrichtersachen) tätig. Hierzu existiert eine Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK) vom 28.02.2012 (Anlage K14, Bl. 176ff d.A.). Dort wurden 11 Arbeitsvorgänge gebildet, wobei die Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeiten mit insgesamt 25,95 % angegeben werden. Die dort aufgelisteten Tätigkeiten hat die Klägerin so auch ausgeübt.
Zum 01.11.2010 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin in den TV-L überführt. Mit Schreiben vom 26.05.2011 wurde ihr mitgeteilt, dass Sie künftig eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E6, Stufe 2+ TV-L erhalte (Bl. 61f d.A.).
Seit dem 01.04.2014 wird die Klägerin in einer Serviceeinheit im Sachgebiet Verkehrsstrafsachen (einschließlich Bußgeldverfahren und Erzwingungshaftsachen) eingesetzt. Die entsprechende BAK vom 26.05.2010 (Anl. K2, Bl. 53 d.A.) geht ebenfalls von 11 Arbeitsvorgänge aus, wobei der Anteil der Arbeitsvorgänge mit schwierigen Tätigkeiten 25,16 % ausmacht.
Mit Schreiben vom 13.08.2018 beantragt die Klägerin, ihr rückwirkend eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TV-L zu zahlen.
Mit der am 05.11.2018 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt sie dieses Ziel weiter. In rechtlicher Hinsicht hat die Klägerin die Ansicht vertreten, ihre Tätigkeit bilde nur einen einzigen großen Arbeitsvorgang. Auf Basis der Entscheidung des BAG vom 28.02.2018 - 4 AZR 816/16 - stehe ihr daher die begehrte höhere Vergütung zu. Insofern reiche es aus, dass schwierige Tätigkeiten einen Anteil von ca. 10 % hätten, wobei dieser Anteil mit 25 % deutlich überschritten werde.
Nachdem die Klägerin ihren ursprünglich zu 1) angekündigt Klageantrag - gerichtet auf die Zahlung von EUR 2.063,60 brutto - im Kammertermin am 8. Mai 2019 im Übr...