Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose. hilfsweise fristgemäße Kündigung wegen Diebstahls bzw. Diebstahlverdachts von 1 Rohrzange und 4 Metallhalbschalen im Schrottwert von über 400,– EUR
Leitsatz (redaktionell)
1. Nicht nur eine erhebliche Vertragsverletzung wie z.B ein Diebstahl, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen.
2. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dabei ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Die Kündigung verstieße anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie wäre nicht ultima ratio.
3. Der Arbeitnehmer muss in einem Fall, der vorliegend zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Unterschlagen führte, von vornherein wissen, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten nicht duldet und missbilligt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 21.10.2009; Aktenzeichen 6 Ca 221/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21.10.2009 – 6 Ca 221/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits bei einem Streitwert von 8219,12 Euro in der II. Instanz.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen eines Diebstahls bzw. eines Diebstahlverdachts von 4 Messinghalbschalen im Gesamtschrottwert von 409,20 EUR bzw. einer Rohrzange im Wert von 80,65 EUR sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers. Der Kläger ist rechtskräftig wegen einer Fundunterschlagung der 4 Messinghalbschalen zu einer Geldstrafe verurteilt worden (vgl. das Urteil des Amtsgerichts E. vom 15. September 2009 Bl. 150 ff d. A.).
Der am … 1969 geborene Kläger, der 2 Kindern unterhaltspflichtig ist, war mit einer ab dem 01. Januar 1995 zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. Dezember 2004 (vgl. den Arbeitsvertrag Bl. 25 – 28 d. A. in Kopie) bei der Beklagten als erster Betriebsschlosser bei einer Bruttomonatsvergütung von 2.054,78 EUR beschäftigt. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden.
Am Freitag, dem 09. Januar 2009, hielt sich der Kläger außerhalb seiner regulären Arbeitszeit abends auf dem Betriebsgelände der Beklagten auf. Er passierte nach den Daten der elektronischen Zutrittskontrolle mittels seines Dienstausweises um 20.37 Uhr das Tor Sinteranlage, um das Betriebsgelände zu befahren, und verließ es wieder um 20.49 Uhr.
Am Montag, dem 12. Januar 2009, stellte der Schichtleiter der Beklagten während der Frühschicht fest, dass Material in Form von 4 Messinghalbschalen à ca. 80 Kilogramm aus dem Bestand fehlte.
Dies nahm die Beklagte zum Anlass, am 12. Januar 2009 über ihren Werkschutz die zuständige Kriminalpolizei zu informieren und Anzeige zu erstatten. Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen wurde aus den Betriebsunterlagen der in E. ansässigen Firma T. S. GmbH (Schrotthandel) bekannt, dass der Kläger an diese am 12. Januar 2009 4 Messinghalbschalen zu einem Erlös in Höhe von insgesamt 409,20 EUR veräußert hatte. Eine Besichtigung des Materials durch Vertreter der Beklagten ergab, dass es sich hierbei um im Eigentum der Beklagten stehendes Material handelte.
Am 13. Januar 2009 erhielt der Kläger eine polizeiliche Vorladung für den 16. Januar 2009. Im Verlauf der Vernehmung wurde ihm eröffnet, dass er unter dem Verdacht stehe, die von ihm verkauften und im Eigentum der Beklagten stehenden Messinghalbschalen zum Nachteil der Beklagten von deren Betriebsgelände entwendet zu haben. Diesen Sachverhalt nahm der Kläger zum Anlass, noch am 16. Januar 2009 in der Personalabteilung der Beklagten vorstellig zu werden, um zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im Verlauf dieses Gesprächs erklärt sich der Kläger dahingehend, er habe sich bereits Ende November 2008 aus dem Betrieb der Beklagten eine Rohrzange ausgeliehen, die er am Freitag, dem 09. Januar 2009, zurückgebracht habe. Dies sei der Grund für seinen abendlichen Aufenthalt auf dem Betriebsgelände der Bekla...