Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung tariflicher Besitzstandszulage bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

 

Leitsatz (amtlich)

Eine tarifliche Regelung, wonach eine tarifvertragliche Besitzstandszulage bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen ist, verstößt gegen § 4 Abs. 4 EFZG und ist unwirksam.

 

Normenkette

EntgFG § 4 Abs. 4; EntgFG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; EFZG § 4 Abs. 1, 4, § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.05.2014; Aktenzeichen 53 Ca 19226/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen 5 AZR 246/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 - 53 Ca 19226/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, für Entgeltfortzahlungszeiträume an den Kläger insgesamt 462,71 € brutto nebst Zinsen weniger zu zahlen und ob allgemein festzustellen ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen der Berechnung der Entgeltfortzahlung eine Besitzstandszulage mit einzubeziehen.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 8. Mai 2014 hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an den Kläger 462,71 € brutto nebst Zinsen zu zahlen und hat weiterhin festgestellt, dass die Beklage verpflichtet ist, in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die Besitzstandszulage gemäß Überleitungstarifvertrag vom 25. Februar 2013 i. V. m. § 22 Nr. 8 MTV BVD und Vergütungstarifvertrag BVD einzubeziehen.

Das Arbeitsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass unter dem Begriff des Monatsgrundentgelts im Sinne der Tarifverträge auch die Besitzstandszulage erfasst wird.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, dass der Wortlaut des MTV und VTV eindeutig sei. Die Besitzstandszulage zähle nicht zum Monatsgrundentgelt. Nach den tarifvertraglichen Regelungen sei daher die Besitzstandszulage bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen. Es liege auch kein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 EFZG vor. Für eine bestimmte Tätigkeit erhielten sowohl die Alt- als auch die Neubeschäftigten exakt dasselbe Entgelt. Alles andere wäre auch ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Mai 2014, Az. 53 Ca 19226/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist zum einen der Ansicht, dass das Arbeitsgericht die tarifvertraglichen Regelungen zutreffend ausgelegt habe. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen die Öffnungsklausel nach § 4 Abs. 4 EFZG vor.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass die Beklagte an den Kläger 462,71 € brutto nebst Zinsen zu zahlen hat. Zu Recht hat es auch festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Besitzstandszulage bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu berücksichtigen. Nach den tarifvertraglichen Regelungen ist die Besitzstandszulage jedoch nicht berücksichtigungsfähig. Diese Regelung verstößt jedoch gegen § 4 Abs. 4 EFZG und ist unwirksam.

1. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts sind die tarifvertraglichen Regelungen eindeutig. Sie können nicht über die dort getroffenen Definitionen hinaus ausgelegt werden. Insofern ist die Besitzstandszulage nicht zu zahlen.

Nach der Anlage zum MTV für Berlin-Brandenburg wird eine Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 MTV getroffen. Danach ist als Vergütung während der Zeit der Entgeltfortzahlung das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 MTV zu zahlen (Kopie Bl. 38 d. A.). § 14 MTV bestimmt den Begriff des Monatsgrundentgelts nicht näher, sondern verweist auf den jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag. § 2 des Vergütungstarifvertrages vom 25. Februar 2013 (Kopie Bl. 39 ff. d. A.) definiert den Begriff des Monatsgrundentgelts:

"Das Monatsgrundentgelt eines Vollzeit Beschäftigten ergibt sich aus seiner Tätigkeit, den Tätigkeitsmerkmalen in Anlage 1 und den Vergütungstabellen in den Anlagen 3 a und b."

Die Tätigkeit und die Tätigkeitsmerkmale sind hier nicht von Relevanz. In der Anlage 3 a, die vorliegend einschlägig ist, wird als Monatsgrundentgelt bei Vollzeittätigkeit ein bestimmter Betrag ohne die Besitzstandszulage ausgewiesen (vgl. Kopie Bl. 51 d. A.).

Da die tarifvertraglichen Regelungen den Begriff des Monatsgrundentgelts abschließend definieren, kann hierunter nicht auch die Zahlung einer Besitzstandszulage verstanden werden.

Auch aus dem Überleitungstarifvertrag vom 25. Februar 2013 für die hiesige Beklagte (Kopie Bl. 56 ff. d. A.), kann nicht entnommen werden, dass die Besitzstandszulage auch im Falle der Entgeltfortzahlung zu zahlen ist. Im Teil 2 Abs. I wird normi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge