Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbrauch durch Entschädigungsverlangen im Zusammenhang mit einer Bewerbung
Leitsatz (amtlich)
Rechtsmissbrauch eines Entschädigungsverlangens ist im Einzelfall anzunehmen, wenn eine Person, die vier Wochen nach ihrer Bewerbung auf eine Stelle, die unter Verstoß gegen § 7 Absatz 1 AGG ausgeschrieben wurde - hier "Sekretärin in Potsdam" - Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung im
Bewerbungsverfahren einreicht, ohne dass eine Absage durch die/den potenzielle/n Arbeitgeber/in erfolgte und ohne dass sich die Person nach dem Stand des Bewerbungsverfahren erkundigte, die Person in der Klageschrift gleichwohl mehrfach eine Ablehnung aus Gründen des Geschlechts behauptet. Diese Person hat kein
ernsthaftes Interesse an ihrer Bewerbung für die ausgeschriebene Stelle, sondern möchte die Bewerbung ausschließlich nutzen, um die formale Position eines Bewerbers/eine Bewerberin zu erlangen.
Normenkette
ZPO §§ 520, 538 Abs. 2, § 514; AGG § 15; ZPO §§ 214, 218; AGG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 01.02.2023; Aktenzeichen 5 Ca 10163/23) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das 2. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 01.02.2023 - 5 Ca 10163/23 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines zweiten Versäumnisurteils sowie in der Sache über Entschädigungsansprüche nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).
Der Kläger macht geltend, sich auf eine Stellenanzeige der Beklagten bei Indeed für einer Sekretärin in Potsdam beworben zu haben. Auf eine zur Akte gereichte Ausschreibung (Blatt 6 folgend der Akte), ein zur Akte gereichtes Bewerbungsanschreiben des Klägers (Blatt 54 der Akte) sowie seinen Lebenslauf (Anlage B2, Blatt 50 der Akte) wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 30.09.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht Potsdam am 04.10.2022, erhob der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Zahlung einer Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 7.500,00 EUR nicht unterschreiten sollte. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 07.10.2022 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 03.11.2022 (Anlage B1, Blatt 44 fortfolgende der Akte) erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht Passau gegen die A GmbH auf Zahlung einer Entschädigung; auf den Inhalt dieser Klageschrift wird vollumfänglich verwiesen.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe eine Stellenanzeige für eine Sekretärin in Potsdam bei Indeed veröffentlicht. Die Beklagte habe wiederholt Stellenanzeigen bei Indeed veröffentlicht. Der Kläger hat unter Hinweis auf den Ausdruck einer Stellenanzeige (Blatt 53 der Akte) behauptet, die streitgegenständliche Stellenanzeige auf Indeed sei abgelaufen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es sei irrelevant, durch wen die Anzeige geschaltet worden sei. Dieses Handeln sei der Beklagten jedenfalls zuzurechnen. Der Kläger hat unter Hinweis auf die Veröffentlichung eines Stellenangebots auf der Homepage der Beklagten (Anlage B1, Blatt 86 folgend der Akte) zudem behauptet, die Beklagte habe auch weiterhin eine Sekretärin gesucht.
Der Kläger hat weiterhin behauptet, er erfülle alle Anforderungen für die ausgeschriebene Stelle und bringe auch Erfahrung mit. Er sei ausgebildeter Industriekaufmann, belege derzeit ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen (LL.M.) und verfüge über gute Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesellschaftsrechts. Der Kläger hat behauptet, er habe sich mit dem zur Akte gereichten Bewerbungsanschreiben auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Des Weiteren habe er einen Lebenslauf über die Jobbörse bei Indeed eingestellt.
Der Kläger hat zudem behauptet, die Beklagte habe ihm aufgrund seines Geschlechts abgesagt und seine Bewerbung ignoriert, ohne ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Beklagte wolle ausschließlich Frauen beschäftigen. Dies werde durch ihre Stellenanzeige bewiesen. Die ausgeschriebene Stelle sei mittlerweile durch eine weibliche Person besetzt und die Stellenausschreibung auf Indeed gelöscht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe seinen Anspruch fristgerecht geltend gemacht.
Der Kläger hat schließlich behauptet, das Durchschnittsgehalt eines Sekretärs in Potsdam betrage etwa 2.500,00 EUR brutto. Die Stelle sei als Vollzeitstelle ausgeschrieben gewesen. Es sei eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten angemessen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zu.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe keine Anzeige auf Indeed geschaltet. Sie habe dort nicht einmal einen Account. Eine Anzeige habe auf Joyn geschaltet werden sollen. Vor Fertigstellung sei die Anzeige von dem Mitarbeiter Herrn B im Internetportal Joyn hochgeladen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei keine Stelle frei gewesen. Mit der Stellenanzeige auf In...