Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschreiten der Befristungshöchstdauer nach schriftlicher Erklärung eines Hochschullehrers zum Promotionsbeginn

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung der Promotionszeit erfolgt seit Inkrafttreten des WissZeitVG nicht mehr allein nach formellen Kriterien. Für die Bestimmung des Beginns der Promotionszeit genügt die schriftliche Erklärung eines Hochschullehrers.

 

Normenkette

WissZeitVG § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; TzBfG § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 06.03.2013; Aktenzeichen 27 Ca 7173/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.03.2016; Aktenzeichen 7 AZR 70/14)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2013 - 27 Ca 7173/12 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 20.800,-- EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) zum 30. April 2012, hilfsweise zum 31. August 2012.

Die Klägerin ist 43 Jahre alt (... 1970) und Mutter zweier am ... 2008 bzw. ... 2010 geborenen Kinder, die in ihrem Haushalt leben. Vom 30. März 2008 bis 6. Juli 2008 bzw. 3. Februar 2010 bis 12. Mai 2010 befand sich die Klägerin jeweils im Mutterschutz, vom 7. Juli 2008 bis 9. Juli 2009 bzw. 13. Mai 2010 bis 10. Mai 2011 jeweils in Elternzeit. Am 24. März 2010 (Bl. 56 d.A.) erklärte sich die Klägerin mit einer Verlängerung der Höchstbefristung um die Zeiten von Mutterschutz und Elternzeit für ihre erste Tochter und am 6. September 2011 für ihre zweite Tochter (Bl. 57 d.A.) einverstanden.

Der Beklagte ist eine Trägerorganisation von insgesamt acht Forschungsinstituten (Bl. 139 d.A.). In den Instituten wird wissenschaftliche Forschung von überregionaler Bedeutung betrieben (Satzung Bl. 149 d.A.).

Die Klägerin wendet sich gegen die Befristung eines Arbeitsvertrages vom 13.10.2011/29.10.2011 (Bl. 16 d.A.), mit welchem eine Verlängerung des bestehenden Vollzeit-Arbeitsvertrages für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012 vereinbart war. Hilfsweise wendet sie sich gegen die Befristung des nachfolgenden Arbeitsvertrages vom 24.4.2012/27.4.2012 (Bl. 51-52 d.A.), mit welchem das Arbeitsverhältnis mit 29,25 Wochenstunden (75%) vom 1. Mai 2012 bis 31. August 2012 befristet wurde. Im Rahmen des Vollzeitarbeitsverhältnisses bezog sie zuletzt eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 14 Stufe 4 TVöD entsprechend ca. 5.200,-- EUR brutto.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1997 beim Beklagten mit insgesamt 17 befristeten Arbeitsverträgen als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1999 war sie im Rahmen eines Stipendiums eines Dritten (EMBO) (Bl. 20-24 d.A.) sowie während einer Anstellung vom 1. April 2004 bis 30. September 2004 an der Universität Würzburg (Bl. 36-37 d.A.) beim Beklagten jeweils im Rahmen eines Vertrages als Gastwissenschaftlerin tätig. In der Zeit vom 12. Juli 2004 bis 30. Juni 2007 stand die Klägerin in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit der Universität O., wobei sie ihre Tätigkeit zum Teil im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit dem Beklagten durchgeführt hatte. Der Umfang dazu ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin studierte an der Universität O. Chemie und schloss dieses Studium im Jahre 1992 mit dem akademischen Grad "Honours" ab. Ob das am 8. Juli 1992 oder am 7. November 1992 erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Anschließend promovierte die Klägerin an der Universität von C. Die mündliche Prüfung (Rigorosum) fand am 4. Juni 1997 statt, die Übergabezeremonie war am 19. Juli 1997 (Bl.101 d.A.). In einer Bescheinigung der Universität C. vom 28. Juni 2012 (Bl. 206 d.A. - Übersetzung: Bl. 204-206 d.A.) bestätigt diese, dass die Klägerin am 1. Oktober 1992 ihr Promotionsstudium begonnen und am 11. Juli 1997 beendet habe. Am 19. Juli 1997 sei die Promotionsurkunde verliehen worden.

Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland hat unter dem 30. April 2013 gegenüber dem Beklagten auf deren Fragen hin die Voraussetzungen zur Promotion an den Universitäten von O. und C. näher erläutert (Bl. 421 d.A.). Dabei hat sie u.a. ausgeführt:

Erläuternd fügen wir hinzu, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Wunsch nach dem späteren Erwerb eines Doktorabschlusses die Entscheidung der Klägerin zur Studienfortsetzung für den Erwerb des Bachelor of Arts Honours und ihre Auswahl des Forschungsschwerpunktes maßgeblich beeinflusst hat.

...

Die Bescheinigung von Professor C. M. D. vom 18. Juli 2012 (Anlage C3 der Gerichtsakte) enthält seine Aussage, dass die Tätigkeit der Klägerin in seinem Forschungslabor einerseits dem Abschluss des Bachelor of Arts Honours und zugleich dem Erwerb praktischer Erfahrung (originalsprachlich: "practical experience") auf dem ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge