Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerung der Befristungshöchstdauer in der Postdoc-Phase durch Anrechnung von Promotionszeiten ohne Beschäftigung auf die Bonuszeiten. Weiterbeschäftigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG verlängert sich die zulässige Befristungsdauer in der Postdoc-Phase von höchstens sechs Jahren in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben.

2. Für den Beginn der Promotion ist grundsätzlich an ein im Landesrecht oder im Satzungsrecht der Universität vorgesehenes formales Ereignis anzuknüpfen. Als "Promotionszeiten ohne Beschäftigung" können nur Zeiten nach Beginn der Promotion anerkannt werden (siehe BAG Urt. v. 23.03.2016, 7 AZR 70/14, juris Rn 47).

3. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Zulassung zur Promotion nach § 3 Abs. 1 der Promotionsordnung des Fachbereichs Psychologie der Universität Hamburg ist ein solches formales Ereignis, das den Zeitpunkt des Beginns der Promotion bestimmt. Nach diesem Zeitpunkt liegende Zeiträume der Befassung mit der Promotion sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen.

 

Normenkette

WissZeitVG § 2 Abs. 1, §§ 5, 2 Abs. 1 Sätze 1, 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 02.03.2017; Aktenzeichen 7 Ca 337/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. März 2017 - Az. 7 Ca 337/16 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 30.06.2016 aufgrund der vertraglichen Befristung vom 08.05.2012 beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger in Vollzeit als Psychologen und wissenschaftlichen Mitarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu beschäftigen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG).

Die Parteien waren seit dem 1. Januar 2003 in verschiedenen Vertragsverhältnissen miteinander verbunden. Für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2009 schlossen sie einen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristeten Arbeitsvertrag ab. Mit Arbeitsvertrag vom 28. April 2009/29. Mai 2009 vereinbarten die Parteien nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG die befristete Weiterbeschäftigung des Klägers als Psychologen und wissenschaftlichen Mitarbeiter bis zum 31. Mai 2012. Für die Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 28. April 2009/29. Mai 2009 wird auf die Anlage K2, Bl. 13 ff. d.A., verwiesen. Mit Änderungsvertrag vom 8. Mai 2012 verlängerten die Parteien das befristete Arbeitsverhältnis "in beiderseitigem Einvernehmen" bis zum 30. Juni 2016 (siehe hierzu Anlage K 3, Bl. 19 f d.A.). Mit der vorliegenden, am 21. Juli 2016 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 28. Juli 2016 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Befristungsvereinbarung. Der Kläger erzielte zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 6.372,55 €.

Bereits vor seiner Tätigkeit für die Beklagte war der Kläger langjährig im Wissenschaftsbereich tätig:

Vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 2001 erhielt er ein Doktorandenstipendium im Rahmen des Graduiertenkollegs "Neuronale Plastizität: Moleküle, Strukturen, Funktionen" des Klinikums der G.-Universität F.. In einem Schreiben des Graduiertenkollegs vom 12. Mai 1998, durch das dem Antrag des Klägers auf das Doktorandenstipendium stattgegeben wurde, heißt es wie folgt:

"Das Stipendium soll Ihnen zur Durchführung ihres Forschungsvorhabens mit dem Titel ’X.‚ und damit verbunden zur Anfertigung einer Dissertation unter der Anleitung von Prof. Dr. S. dienen..."

Für die Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage C, Bl. 312 f. d.A. verwiesen. Der Kläger forschte während der Förderung durch das Graduiertenkolleg am M.-Institut für H. in F. a. M.. Innerhalb des ersten Jahres seiner Tätigkeit wechselte er die Arbeitsgruppe und arbeitete fortan in der Arbeitsgruppe des Herrn Prof. (damals: Dr. habil.) E..

In einem Zwischenbericht über die Arbeit des Klägers vom 24.02.1999 - nunmehr zu dem Thema "Die Rolle zeitlich strukturierter Reize für die Synchronisation kortikaler Neurone erwachsener und junger Katzen" wird Herr Dr. habil. E. als Betreuer der Arbeit des Klägers benannt. Der Zwischenbericht umfasst eine ausführliche Stellungnahme von Herrn Prof. (damals: Dr. habil.) E. zur Arbeit des Klägers. Auf das Anlagenkonvolut K 10, Bl. 140ff. d.A. wird verwiesen. Mit Schreiben des Graduiertenkollegs vom 22. April 1999 und 19. April 2000 wurde den Anträgen des Klägers auf Verlängerung des Doktorandenstipendiums stattgegeben und jeweils das neue Forschungsvorhaben des Klägers aufgeführt. Als Anleiter ...

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