Leitsatz (redaktionell)
1. Ein höherer Verdienst ist für sich allein genommen kein Umstand, der im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern entgegensteht.
2. Eine von den Betriebspartnern im Rahmen eines Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG getroffene Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn dem Kriterium „Rentennähe” des Arbeitnehmers eine deutlich überzogene Bedeutung beigemessen wurde und dadurch andere Kriterien, namentlich die Dauer der Betriebszugehörigkeit, völlig unzureichend berücksichtigt werden.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 2; BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 31 Ca 9412/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.01.2007 – 31 Ca 9412/06 – abgeändert und
- festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung vom 25.04.2006 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag zu 1. als kaufmännischen Angestellten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden weiterzubeschäftigen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die die Beklagte unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe ausgesprochen hat.
Die Beklagte ist eine im Großraum Berlin/Brandenburg ansässige hundertprozentige Tochtergesellschaft der H. PBS AG, einer Papeterie-, Büro- und Schreibbedarfherstellerin. Die Beklagte ist als Dienstleistungsunternehmen im Bereich „Supply Chain Management” tätig.
Der am … 1946 geborene Kläger, der verheiratet ist (Lohnsteuerklasse 3), war seit dem 10.10.1962 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H. PBS AG, und dann bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Der Kläger erhielt als außertariflicher Angestellter ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.000,00 EUR. Der Kläger war zuletzt als Bereichsleiter Wareneingang tätig.
Die Beklagte, die mit der H. PBS AG an den Standorten Tegel und Falkensee einen gemeinsam geführten Betrieb (Vertrieb) und ferner einen Betrieb an dem Standort Falkensee (Logistik) unterhalten hatte, vereinbarte mit der H. PBS AG, diese Betriebe betriebsorganisatorisch zusammenzufassen und einen umfassenden gemeinsamen Betrieb zu bilden. In diesem Zusammenhang schloss die Beklagte mit der H. PBS AG am 16.12.2005 eine Leitungsvereinbarung, in der u.a. festgelegt wurde, dass eine einheitliche Personalabteilung für den gemeinsamen Betrieb eingerichtet wird. Es wurde ferner am 16.12.2005 mit den jeweils in den Betrieben bestehenden Betriebsräten jeweils ein Interessenausgleich vereinbart. In diesen Interessenausgleichen wurde zum Ausdruck gebracht, dass der Betrieb Logistik in den gemeinsamen Betrieb integriert wird. Auf den Inhalt der Leitungsvereinbarung vom 16.12.2005 und auf den Inhalt der beiden Interessenausgleiche vom 16.12.2005, soweit eingereicht, wird Bezug genommen (Bl. 161 bis 168 der Akte).
Die Beklagte und die H. PBS AG schlossen am 21.03.2006 mit dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes der H. PBS AG und der Beklagten einen Interessenausgleich.
Im Interessenausgleich ist auszugsweise bestimmt:
„§ 1
1. 1 i) Verlagerung von Teilen des Ganzpalettengeschäftes der Falken Office Products GmbH und Flächenoptimierung in Falkensee sowie die Verlagerung der Produktion nach Falkensee daraus folgend Abbau von bis zu 38 Arbeitnehmern, davon gegenwärtig akut und konkret 38 Arbeitnehmer.
1. 2 Aus den in Absatz 1.1 definierten Maßnahmen hat die Firma einen gegenwärtig akuten und konkreten Personalabbau von 143 Arbeitnehmers identifiziert. Hiervon haben bereits 20 Arbeitnehmer einvernehmlich ihr Arbeitsverhältnis beendet.
1.3.1 Die weiteren Einzelheiten der mit der Umsetzung der in Anlagenkonvolut 1 zu diesem Interessenausgleich näher beschriebenen Konzeption (welche insgesamt den Gegenstand dieses Interessenausgleichs bildet) verbundenen personellen (insbesondere Kündigungen, Versetzungen, Umgruppierungen) und sonstigen Einzelmaßnahmen (insgesamt „Unstrukturierung”) wird die Firma zu gegebener Zeit mit dem Betriebsrat absprechen. Von diesen Maßnahmen können bis zu 78 weitere Arbeitnehmer betroffen sein. Der Betriebsrat geht allerdings davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Firma positiv verläuft und damit die Abmilderung der Umstrukturierung für die Belegschaft ermöglicht.
1.3.2 Im Zusammenhang mit einem möglichen Outsourcing von Logistikaktivitäten, welches bis zu 81 weitere Arbeitnehmer erfassen könnte, hat der Betriebsrat die Firma darauf hingewiesen, dass es sich hierbei seiner Ansicht nach um einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB handeln würde und die Wirtschaftlichkeit noch einmal durch die Firma zu überprüfen ist.
1.4 Diesem Interessenausgleich werden die zu kündigenden Arbeitnehmer gem. §§ 111 BetrVG, 1 Abs. 5 KSchG in Listenform...