Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung eines fristgerecht unkündbaren Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Untersuchungshaft
Leitsatz (amtlich)
1. Ein fristgerecht unkündbarer Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (Kraftfahrer für besondere Aufgaben), der unerlaubt scharfe Waffen und Munition in größerem Umfange besitzt und einen Teil von ihnen während einer Dienstfahrt mit sich führt, kann fristlos entlassen werden.
2. Muß der betreffende Arbeitnehmer wegen des unerlaubten Waffenbesitzes mit einer längeren Untersuchungshaft rechnen, kann dieser Umstand kündigungsrechtlich erschwerend berücksichtigt werden.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; BMT-G II § 53 Abs. 1, § 54
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 26.08.1986; Aktenzeichen 21 Ca 161/86) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. August 1986 – 21 Ca 161/86 – wie folgt geändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der … 1945 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kindern Unterhalt leistet, trat am 15. Juni 1968 als Kraftfahrer beim Fuhrpark Berlin in die Dienste des Beklagten Landes. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Der Kläger war zuletzt in die Lohngruppe V a BMT-G II eingruppiert und erzielte einen durchschnittlichen Monatsverdienst in Höhe von 3.000,– DM brutto.
Den Fahrern des Fuhrparks Berlin obliegt die Beförderung von Personen sowie der Transport von Sachen, die nicht dem normalen Aktentransport anvertraut werden sollen. Der Kläger war ständiger Fahrer dos Dienstwagens VW-Kombi, polizeiliches Kennzeichen …, und hatte überwiegend in den Nachtstunden Fahrten für verschiedene Gesundheitsämter durchzuführen. Er befördert in diesem Zusammenhang auch Personen, die zur Kontrolle von Prostituierten eingesetzt waren, und brachte gegebenenfalls Prostituierte zur Untersuchung in das jeweilige Gesundheitsamt.
Am 16. Mai 1986 führte der Kläger in der Zeit von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr mit seinem Dienstwagen Fahraufträge für das Gesundheitsamt Wedding von Berlin aus. An diesem Tags wurde er beim Verlassen seines Dienstfahrzeuges vor seinem Johnhaus von der Polizei vorläufig festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt trug der Kläger in seiner Kleidung einen scharfen Revolver, Kaliber 22, bei sich. In einem von ihm mitgeführten Aktenkoffer befanden sich außerdem eine scharfe Pistole, ein scharfer Revolver und die dazu passende Munition. Die Polizei fand am selben Tage in einem vom Kläger angemieteten Keller … insgesamt 72 scharfe Schußwaffen (20 Gewehre und 20 Handfeuerwaffen) sowie 10.000 Schuß Munition der verschiedenen Kaliber. Es handelte sich um Waffen, die zur Abgabe von Schüssen mit tödlicher Wirkung bestimmt und geeignet sind.
Am 17. Mai 1986 erließ das Amtsgericht Tiergarten einen Haftbefehl gegen den Kläger …, in dem er beschuldigt wurde, Kriegsmaterial entgegen den alliierten Bestimmungen ohne Genehmigung des zuständigen Zonenbefehlshabers gelagert und befördert zu haben. Als Haftgrund nahm das Amtsgericht unter anderem Verdunkelungsgefahr an, weil sich der Kläger geweigert habe, genaue Angaben zur Herkunft und dem Verwendungszweck der Waffen zu machen. Die vom Kläger gegen den Haftbefehl eingelegten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel blieben erfolglos. Der Kläger befindet sich zur Zeit weiterhin in dar Untersuchungshaftanstalt Hoabit. Die Hauptverhandlung vor dem Strafgericht soll am 18. Dezember 1986 stattfinden.
Nachdem der beim Beklagten bestehende Personalrat seine Zustimmung erteilt hatte, kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 23. Mai 1986, das der Kläger am selben Tage erhielt, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Im Kündigungsschreiben heißt es unter anderem:
„Die oben aufgeführten Beschuldigungen haben das notwendige Vertrauen in Ihre Rechtschaffenheit zerstört und stellen eine unerträgliche und unzumutbare Belastung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist mir daher nicht mehr zuzumuten.”
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 3. Juni 1986 eingegangenen und dem Beklagten am 24. Juni 1986 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die vom Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß in seiner Person ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorliege. Er stehe seit 20 Jahren ohne jede Beanstandungen als Kraftfahrer in den Diensten des beklagten Landes. Die fragliche Straftat stehe jedoch in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit, die er beim Beklagten ausübe. Er sei ein leidenschaftlicher Waffensammler und lehne die Anwendung von Waffen gegen Lebewesen aus innerer Überzeugung ab. Er sei schon in seinen Jugendjahren ein Waffennarr gewesen. Der Besitz und der Umgang mit Waffen sei sein einziges Hobby. Er leide eher unter einer krankhaften Sammelsucht als an irgendeiner krimi...